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VORSTÖSSE - Entdecker ohne Ruhm

22:12
 
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Alle großen Entdeckungsreisenden von Kolumbus über Humboldt und Cook hatten einheimische Begleiter. Ohne die Leistungen der indigenen Helfer wären die großen europäischen Forschungsexpeditionen nie gelungen. Und auch unter den indigenen Helfern gab es natürlich Menschen mit Forscherdrang und Entdeckergeist. Auch wenn sie nie so berühmt wurden, wie ihre europäischen Kollegen. Von Sabine Straßer (BR 2018)

Credits
Autorin: Sabine Straßer
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Katja Amberger, Christian Baumann, Benedict Schregle, Katja Schild
Technik: Peter Urban
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Prof. Volker Matthies, Dr. Detlev Quintern, Prof. Dr. Fuat Sezgin, Prof. Thomas Höllmann, Dr. Moritz von Brescius
Besonderer Linktipp der Redaktion:
ARD Crime Time (2024): Tatunca Nara – und die Toten im Dschungel
Die 31. Staffel der erfolgreichen Doku-Serie begibt sich auf die Spuren eines außergewöhnlichen Falls, der bereits als Vorlage für Indiana Jones diente: Ende der 1960er Jahre wandert Günther Hans Hauck nach Brasilien aus und erfindet sich dort eine neue Identität als Nachfahre einer indigenen Kultur, die bislang unentdeckt tief im Dschungel in einem gigantischen Reich lebe. Viele Menschen packt die Faszination und sie folgen dem selbst ernannten Oberhaupt „Tatunca Nara“ in den Regenwald. Für einige endet die Expedition tödlich. Ein Team der ARD Crime Time begibt sich auf Spurensuche. Das Ziel der Reise: ein Ort im brasilianischen Regenwald, wo der Hochstapler auch heute noch leben soll. IN DER MEDIATHEK
Linktipps:
funk (2018): Mount Everest – Klettern für die Träume anderer am höchsten Berg der Welt
Jedes Jahr ziehen hunderte Bergsteiger und Abenteuerlustige los, um sich ihren Traum vom Mount Everest zu erfüllen. Einmal auf dem Dach der Welt stehen – eine lukrative Touristenattraktion für den kleinen Himalaya-Staat Nepal, eines der ärmsten Länder der Welt. Doch was auf der einen Seite Arbeitsmöglichkeiten für die lokalen Bergführer und Träger – die Sherpas – bedeutet, bringt auf der anderen Seite lebensbedrohliche Risiken für sie mit. Dennis und Patrick Weinert sind zum Everest Base Camp getrekkt und haben mit Bergsteigern, Sherpas und ihren Familien gesprochen, um herauszufinden, was passiert, wenn nicht jeder vom Everest zurückkehrt. JETZT ANSEHEN

Terra X (2022): Die größten Irrtümer des Christoph Kolumbus
Kolumbus entdeckte im Jahr 1492 Amerika - zumindest aus europäischer Sicht. Doch begeisterten sich die Menschen seiner Zeit für sein Vorhaben? Und hat er ich bei der Routenplanung verrechnet? Zum Film mit Christoph Kolumbus größten Irrtümern geht es HIER

Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Alles Geschichte
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Zitator:
„Christoph Kolumbus, spanisch Cristóbal Colón, geboren um 1451 in der Republik Genua, gestorben 1506 in Valladolid, war ein spanischer Seefahrer in kastilischen Diensten, der im Jahr 1492 Amerika entdeckte, als er eine Insel der Bahamas erreichte.“ (Wikipedia)

Zitatorin:
1492! Das Jahr der Entdeckung Amerikas!

Zusp.1 Quintern:
Kolumbus hat Amerika entdeckt,.. ja...(lacht). Ich denke, Kolumbus steht für die nach wie vor anhaltende Mythenbildung eurozentristischer Provenienz, im Hinblick auf eine sogenannte Entdeckungsgeschichte. Meiner Meinung nach war er in erster Linie ein Eroberer, ein Konquistador. wir wissen beispielsweise, dass er als Pirat tätig war und Schiffe der Maya überfallen und geplündert hat. Also, ich denke, es bedarf einer Neuschreibung des Kolumbus in der Geschichte. (0:40)

Sprecherin:
Sagt Detlev Quintern, Islamwissenschaftler, Historiker und Direktor für Lehre und Entwicklung an der Fuat Sezgin Research Foundation for the History of Science in Islam in Istanbul. Ein Institut, an dem unter anderem zu der Frage geforscht wird, wie sehr die europäischen Entdecker sich auf Erkenntnisse arabischer Wissenschaftler gestützt haben. Denn: die Araber konnten schon Jahrhunderte vor den Europäern Längen- und Breitengrade ermitteln und brauchbare Karten zeichnen.
Aber dazu später. Zunächst steht fest: Kolumbus war in Amerika nicht alleine. Der Kontinent, den er zeitlebens für Indien hielt, war zur Zeit seiner sogenannten „Entdeckung“ bereits vollständig bewohnt.

Sprecher:
Kolumbus traf auf der Bahamas-Insel Guanahani, wie sie von den Einheimischen genannt wurde, das Volk der Arawak. Sie haben dem fremden Spanier und dessen Besatzung wohl gezeigt, was man auf ihrer Insel essen konnte und was nicht. Wo man gefahrlos sein Lager aufschlagen konnte. Vermutlich auch, wie man von ihrer Insel auf andere Inseln kam.

Meeresrauschen? Atmo? Musikakzent?

Sprecherin:
Die sogenannte Entdeckungsgeschichte der Welt müsste dringend umgeschrieben werden, findet auch der Politik- und Kulturwissenschaftler Prof. Volker Matthies von der Universität Hamburg.

Zusp. 2 Matthies:
Es handelt sich um eine Heldengeschichte, die Entdecker wurden gesehen als omnipotente Heroen, als Helden, die nicht der Hilfe der Einheimischen bedurften, um ihre Ziele zu erreichen, das war aber nicht der Fall. Diese Entdecker waren oft ganz jämmerliche Gestalten, die lebensnotwendig auf die Unterstützung indigener Begleiter angewiesen waren. (0:27)

Musik-Akzent

Sprecher:
Christoph Kolumbus schrieb über das indigene Volk auf den Bahamas, die Arawak, in seinen Logbüchern, diese seien naiv und immer gerne bereit zu teilen. Die Spanier begannen schon bald, sie für Arbeitsdienste zu versklaven.

Morde, Plünderungen, Krankheiten kamen dazu: Gut einhundert Jahre nach der Ankunft von Kolumbus auf den Bahamas gab es keine Arawak mehr.

Musikakzent

Zusp. 3 Matthies:
Es ist so, dass die europäischen Entdecker die Vorreiter des Imperialismus und Kolonialismus waren, und sie haben die Indigenen ja nur als passive Objekte ihrer Entdeckung gesehen. (0:14)

Sprecherin:
Der Politikwissenschaftler Volker Matthies hat in seinem Buch über indigene Begleiter europäischer Forschungsreisender zusammengetragen, wofür die europäischen Reisenden über Jahrhunderte Ureinwohner oder Angehörige fremder Völker gebraucht oder besser: missbraucht haben:

Zusp. 4 Matthies:
Zum einen als politische Autoritäten, die ihnen überhaupt erst erlaubten, in diesen Ländern zu reisen, dann als Sprach- und Landeskundige, beziehungsweise als Dolmetscher, Wegweiser, Mediatoren, interkulturelle Vermittler, und Diplomaten im Umgang mit indigenen Ethnien, ferner als Transporteure, als Lastenträger, als Bootsführer, Paddler, Tiertreiber und Tierpfleger, als Expeditionsleiter und Führer von Karawanen, schließlich als persönliche Diener, als Köche oder Krankenpfleger und nicht zuletzt auch als Jäger und Sammler zur Beschaffung von Naturalien für die naturkundlichen Sammlungen. (0:44)

Sprecher:
Die meisten dieser indigenen Helfer blieben in der Geschichtsschreibung namenlos. Nur einzelne Ureinwohner fanden Eingang in die Logbücher und Aufzeichnungen der großen Eroberer.

Musik-Akzent
Sprecherin:
Das vielleicht berühmteste Beispiel ist die Aztekin Malinche, die dem Konquistador Hernán Cortés im 16. Jahrhundert bei der Eroberung Mexikos behilflich war.

Zusp. 5 Matthies
Sie war eine Aztekenfürstentochter, ihre Familie gehörte zum mittleren Landadel, sie wurde dann aber zu einer Sklavin der Maya, und sie fiel dann in die Hände der Spanier, als diese im Konflikt mit den Maya gesiegt hatten. (0:17)

Sprecherin:
Malinches neuer Besitzer Cortés merkte schnell, dass ihm diese Frau ihm nicht nur als Sexsklavin gute Dienste leisten würde:

Zusp. 6 Matthies
Diese Aztekin namens Malinche war ein Sprachgenie, sie konnte Aztekisch oder Nahuatl, wie man auch sagt, und sie konnte auch Maya und lernte ganz schnell Spanisch; und wurde sozusagen die Art Chefdolmetscherin des Konquistadors Cortés. Man muss wohl sagen, dass ohne ihr Verhandlungsgeschick und ihre Dolmetscherkünste die Eroberung Mexikos viel schwieriger und langwieriger geworden wäre. (0:26)

Sprecherin:
Was Malinche in ihrer Heimat Mexiko übrigens bis heute nachgetragen wird:

Zusp. 7 Matthies:
Dort gilt sie als eine Verräterin an der Sache des mexikanischen Volkes, denn ihr schiebt man die Hauptschuld daran zu, dass die Eroberung Mexikos so erfolgreich verlaufen ist. Interessant ist, dass es sozusagen abgeleitet von ihrem Namen den Begriff des Malinchismo gibt, der so etwas bedeutet, wie Verrat an der mexikanischen Kultur und der Hinwendung zu fremdem Kulturen. (0:29)
Sprecherin:
Der eigenen Kultur entrissen, in der fremden nicht anerkannt – das war oft das Schicksal der Dolmetscher – oder, bei den Entdeckern oft noch beliebter: Dolmetscherinnen. Das galt auch für spätere Forschungsreisen:

Atmo Pferdegetrappel? Westernmusik?

Zusp. 8 Matthies:
Ein berühmtes Beispiel ist die Expedition von Lewis und Clark, 1804 bis 1806, die Durchquerung Nordamerikas im Auftrag der amerikanischen Regierung. Lewis und Clark, zwei Offiziere, waren überlebenswichtig angewiesen auf eine […] Dolmetscherin, eine Shoshonin […] namens Sacagawea, die shoshonisch und andere Sprachen sprach, und was ihnen erlaubte, mit den Gruppen, die sie unterwegs trafen, überhaupt in Verhandlungen einzutreten. (0:34)

Sprecherin:
Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass die Frau auf der Expedition ihr gerade mal zwei Monate altes Baby dabeihatte. In Regionen, die sie aus ihrer Kindheit kannte, erwies sie sich wohl als besonders gute Wegführerin – und sie begegnete dort auf traurige Weise auch ihrer eigenen Vergangenheit.

Zusp. 9 Matthies
Hier traf sie eine Freundin aus Jugendtagen, die ihr aber leider auch erzählen musste, dass der Großteil ihrer Familienangehörigen verstorben war, ein ganz dramatisches Wiedersehen fand statt mit ihrem Bruder, hier kam es dann auch zu Ausbrüchen von Tränen, sie musste die Verhandlungen immer wieder unterbrechen, weil der Tränenfluss lief. (0:25)

Sprecherin:
Eine der seltenen Überlieferungen, in denen eine indigene Helferin der europäischen Entdeckungsreisenden als menschliches beschrieben wird. Über Jahrhunderte tauchen die Führer, Dolmetscher und Wegbegleiter in den Aufzeichnungen nur in ihren Funktionen auf - oder als Forschungsgegenstand.

Sprecher:
Ein trauriges Beispiel dafür sind der bayerische Naturforscher Johann Baptist Spix und sein Botaniker-Kollege Carl Friedrich Philipp von Martius. Die beiden reisten Mitte des 19. Jahrhunderts im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ins Innere Brasiliens und hatten dort natürlich Kontakt mit der indigenen Bevölkerung, allerdings mit fragwürdiger Einstellung, erzählt der heutige Akademie-Präsident Prof. Thomas Höllmann.

Zusp. 10 Höllmann
Da hat man festzuhalten, dass die zwei Kinder mit nach München gebracht haben, zwei Kinder, die zwei unterschiedliche Sprachen sprachen und nicht miteinander kommunizieren konnten, und ganz übel anzumerken, diese Kinder haben in München nur noch kurze Zeit überlebt und wurden dann am südlichen Friedhof beigesetzt. (0:21)

Sprecherin:
Zwei Kinder einfach so nach Europa zu verschleppen, galt in der Wissenschaftswelt des 19. Jahrhunderts nicht als unmenschlich. Ähnlich wie Kolumbus und die Konquistadoren betrachteten auch spätere Forscher und Wissenschaftler die Indigenen als Objekte ihrer Entdeckung und als Arbeitskräfte. Obwohl de facto viele von ihnen an Ausführung und Planung von Expeditionen maßgeblich beteiligt waren.

Musik-Akzent
Sprecher:
Wie zum Beispiel der ehemalige Sklave Sidi Mubarak Bombay, der dem Entdecker John Hanning Speke und einigen anderen Forschungsreisenden Mitte des 19. Jahrhunderts in Ostafrika als Karawanenführer bei der Suche nach den Quellen des Nils half.

Zusp. 11 Matthies
Seine Verdienste waren die eines anerkannten Führers der Expedition, er war Dolmetscher, Informant und Diplomat in den Verhandlungen mit den lokalen Autoritäten, wenn es darum ging, Durchmarschrechte zu bekommen oder Wasserstellen nutzen zu dürfen, oder Proviant zu erwerben. (0:24)

Sprecherin:
Die berühmte Nilquellen-Expedition war ein von Großbritannien und der Royal Geographic Society großzügig unterstütztes Projekt. Der Sklave und spätere Karawanenführer Sidi Mubarak Bombay wird in den Aufzeichnungen darüber wohl auch deshalb so viel erwähnt, weil er ein markanter Charakter war.

Zusp. 12 Matthies
Die Europäer nannten als seine kritischen Punkte seine Trunksucht, seine Vorliebe für Frauen und seine Neigung zur Nutzung von Expeditionsressourcen für seine privaten Zwecke. (0:13)

Sprecherin:
Der sansibarische Trunkenbold, Frauenheld und Dieb Sidi Mubarak Bombay war aber de facto wohl der eigentliche Anführer der Expedition zu den Nilquellen. Der Kulturwissenschaftler Matthies geht sogar davon aus, dass die berühmte „europäische“ Nil-Expedition in Wahrheit ein afrikanisches Unternehmen war – die ohne Erlaubnis der Regierung von Sansibar nie hätte stattfinden können.

Zusp. 13 Matthies
Denn nominell herrschte der Sultan von Sansibar auch über große Teile Ostafrikas, dieser hatte immenses Interesse, seine Handelsinteressen zu intensivieren, es ging vor allem um Elfenbein und Sklavenhandel. Und er gab der Expedition seine Fahne mit, die blutrote Fahne von Sansibar, die sie vorweg tragen sollten. Es wehte also nicht die britische Flagge der Expedition voraus, sondern die Flagge Sansibars. (0:29)

Sprecherin:
Was die europäischen Forschungsreisenden natürlich nicht an die große Glocke hängten.

Akzent

Sprecher:
Als positives Beispiel im Umgang mit den einheimischen Helfern sind dagegen die Gebrüder Schlagintweit zu nennen, die berühmten Münchner Naturforscher, die Mitte des 19. Jahrhundert für ihre großen Indien- und Himalaya-Expeditionen bekannt wurden. Der Historiker Moritz von Brescius von der Universität Bern hat in deren Aufzeichnungen erstaunlich viele Hinweise auf indigene Partner gefunden. Beispielsweise auf einen Indo-Portugiesen namens Mr. Monteiro, der von den Schlagintweits zunächst für das Präparieren und Verpacken von Sammlungsgegenständen eingestellt wurde – sich aber schnell zum Oberaufseher der riesigen ethnografischen und naturhistorischen Sammlung – und ihrer indigenen Sammler - entwickelte.

Zusp. 14 von Brescius
Mr. Monteiro war eben in der Lage, aufgrund seiner eigenen Sprachfertigkeiten und seiner persönlichen Autorität diese Sammler zu koordinieren, aber dabei blieb es nicht. Die indigenen Helfer der Schlagintweits zeigten selber eine große Reisefreude oder eine große Neugierde, auch neue Techniken zu erlernen, sich auch mit wissenschaftlichem Instrumentarium aus Europa auseinanderzusetzen. (0:45)
Sprecherin:
Der indisch-portugiesische Mr. Monteiro und andere nicht-europäische Assistenten wie der multilinguale Schriftgelehrte Sayad Mohammad Said aus Kalkutta, der indische Arzt Harkishen, der usbekische Experte für Handelsrouten Murad aus Bokhara und der muslimische Karawanenführer Mohammed Amin – sie alle spielten eine wichtige Rolle bei der Himalaya-Expedition der Schlagintweits:

Zusp. 15 Von Brescius
Ich würde so weit gehen, dass das Monopol des Forschers nicht bei den Schlagintweits lag, bei dieser Expedition. Mr. Monteiro aber auch andere indigene Assistenten der Expedition, Wegführer und Übersetzer, waren zum Teil durchaus ausgebildete Forscher, das waren zum Teil geschulte Kartografen, es waren zum Teil ausgebildete Doktoren, die geschult waren und viel praktische Erfahrung mitbrachten und die selbst auch zu Entdeckern wurden, im Zuge der Schlagintweit-Expedition, weil sie die Brüder in Gebiete begleiteten, die für sie selbst zum Teil unbekannt waren. (0:37)

Sprecherin:
Insbesondere wenn die Brüder Schlagintweit das britisch kontrollierte Gebiet verließen, kam es dann auch oft zu einem Rollenwechsel:

Zusp. 16 Von Brescius
Das heißt, die Brüder waren gezwungen, die ganze Führung der Expedition an ihnen gänzlich unbekannte Personen abzugeben, die dann eben über die Routenwahl entschieden, die für die Proviantversorgung verantwortlich waren und die Brüder hatten ständig Angst vor Verrat, weil sie diesen Karawanenführern ausgeliefert waren. (0:21)

Sprecher:
Erstaunlich ist bei den Schlagintweit-Brüdern, dass sie die Rolle ihrer asiatischen Assistenten und Führer in ihren Aufzeichnungen offen würdigen.

Zusp. 17 Von Brescius
Damals gab es Publikationskonventionen in Europa, die es den meisten europäischen Reisenden untersagten, zuzugeben, wie abhängig sie von der Führung und der Hilfe dieser unbekannten indigenen Helfer waren, in Übersee. Das brach mit dem Bild des allmächtigen, allwissenden, mutigen, europäischen Forschers, der immer an der Spitze seiner Expeditionstruppe ins Unbekannte schreitet.

Die Brüder hingegen waren sehr offen darin. //

Musik-Akzent

Sprecher:
Nochmal zurück in der Geschichte: auch vom berühmten englischen Seefahrer James Cook weiß man, dass er auf seiner berühmten Seefahrt durch die Südsee im 18. Jahrhundert einen Nautiker namens Tupaia oder Tupia an seiner Seite hatte, der von den Einheimischen oft für den Anführer der Schiffsexpedition gehalten wurde.

Zusp. 18 Matthies
Tupia war ein Polynesier, er stammte von der Insel Rai Ratea, in der Nähe von Tahiti und er entstammte einer polynesischen Adelsfamilie und einer Familie von Navigatoren und Seefahrern. Er selbst war Priester eines Götterkults und ausgewiesener Navigator. (0:18)

Sprecherin:
.. und er konnte dolmetschen und diplomatische Verhandlungen führen. Was James Cook sehr entgegen kam. Eines der spannendsten Artefakte, die Cook von seinen Reisen durch den Pazifik mitbrachte, ist die berühmte Tupia-Karte, eine Art „mental map“, die der Polynesier damals gezeichnet hat.

Zusp. 19 Matthies
Das Orginal dieser Karte ist nicht mehr vorhanden, es gibt aber drei Kopien, drei Abschriften. Es geht vor allem um den Seeraum zwischen den Gesellschaftsinseln.
Dutzende von Inseln hat er sozusagen aus dem Kopf heraus in der oralen Tradition seiner Familie angeordnet auf Segelrichtungen, bezogen auf die Insel Raiatea als Zentrum der Gesellschaftsinseln. (0:30)

Sprecher:
Nicht zuletzt jahrhundertealtes polynesisches Wissen hat James Cook also erfolgreich durch die Südsee geleitet.

Sprecherin:
Andere wieder profitierten vom uralten Wissen der arabischen Seefahrt. Auch hier bringt die Forschung interessante Beiträge zum sogenannten „europäischen Entdeckungszeitalter“ ans Licht. So gilt als sicher, dass der berühmte portugiesische Seefahrer Vasco da Gama den Seeweg nach Indien gar nicht selbst entdeckt hat, sondern wohl eher auf altbekannten Wegen der arabischen Handelsschifffahrt unterwegs war, sagt der Islamwissenschaftler Detlev Qintern.

Zusp. 20 Quintern
Aus Forschungen portugiesischer Kollegen wissen wir, dass Vasco da Gama von einem arabischen Piloten der Weg gezeigt worden ist, so dass er nach Indien gelangen konnte. Dass er während dieser Fahrt arabische Seekarten gesehen hatte, mit Längen- und Breitengraden versehen, das ist bekannt, und dass er Hilfe hatte von arabischen Nautikern, die ihm den Weg zeigten. (0:43)

Sprecher:
Es sind nämlich nicht nur die Leistungen der Ureinwohner Amerikas, Afrikas oder Asiens in der europäischen Entdeckungsgeschichte systematisch unterschlagen worden. Auch die Beiträge der arabischen Wissenschaften und der arabischen Nautiker kommen in den Expeditionsgeschichten der Europäer nicht vor.
Sprecherin:
Womit wir wieder bei Kolumbus wären. Forschungen deuten darauf hin, dass der berühmte Spanier auf seinem Weg nach Amerika das uralte Wissen arabischer Seefahrer im Gepäck hatte. Ein Thema, das den im Sommer 2018 verstorbenen berühmten türkischen Arabisten und Islamwissenschaftler Fuat Sezgin sehr beschäftigt hat. An seinem Vermächtnis arbeitet Detlev Quintern an der Fuat Sezgin Research Foundation in Istanbul. Er sagt, die Forschung weiß zwar nicht genau, wer Kolumbus auf seiner ersten Schiffsreise zu den Bahamas begleitet hat…

Zusp. 21 Quintern
Gleichwohl wissen wir aus seinen Tagebüchern, dass er über Karten verfügte, Seekarten, die die vorgelagerten Inseln in der Karibik zeigten und diese Karten - das ist der große Beitrag von Fuat Sezgin - diese Karten in einen langzeithistorischen Kontext zu stellen, und zurückzuführen auf arabisches Wissen. (0:26)

Sprecher:
Kolumbus könnte also bei der Überfahrt nach Amerika tatsächlich auf alte arabische Seekarten zurückgegriffen haben – möglicherweise sogar arabische Lotsen dabeigehabt haben – so die Ansicht der Forscher am Fuat Sezgin-Insitut. Keine abwegige Vorstellung. Schließlich währte die Maurenherrschaft in Spanien und die sogenannte Reconquista, die Rückeroberung, ja bis in die Zeit von Kolumbus hinein.
Spätere Denkschulen der Renaissance waren zudem bemüht, die gesamte europäische Kultur auf griechische Quellen zurückzuführen – und islamische Wurzeln möglichst zu tilgen.

Sprecherin:
Und was haben die Angehörigen des einheimischen Volkes der Arawak auf der Bahamas-Insel Guanahani für Kolumbus und dessen Besatzung getan? Waren sie die ersten, die den Spaniern ihr wertvolles Wissen über den fremden Kontinent anvertrauten – bevor diese anfingen, ihn zu unterwerfen? Haben die Arawak die ersten Europäer eingewiesen, in Flora, Fauna und Kultur der Karibik?

Sprecherin:
Es gibt noch einiges zu entdecken, im „großen europäischen Entdeckungszeitalter“. Als sicher gilt schon jetzt: Die meisten der berühmten europäischen Expeditionen und Forschungsreisen waren aus heutiger Sicht wohl eher Gemeinschaftsprojekte. Internationale, multiethnische und multireligiöse Unternehmungen. Reisen, die oft auf dem uralten Wissen anderer Völker aufbauten. „Europäisch“ war am „europäischen Entdeckungszeitalter“ vor allem die Idee der Kolonialisierung, und: die tiefe Überzeugung von der eigenen kulturellen Überlegenheit.

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Autorin: Sabine Straßer
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Katja Amberger, Christian Baumann, Benedict Schregle, Katja Schild
Technik: Peter Urban
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Prof. Volker Matthies, Dr. Detlev Quintern, Prof. Dr. Fuat Sezgin, Prof. Thomas Höllmann, Dr. Moritz von Brescius
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Jedes Jahr ziehen hunderte Bergsteiger und Abenteuerlustige los, um sich ihren Traum vom Mount Everest zu erfüllen. Einmal auf dem Dach der Welt stehen – eine lukrative Touristenattraktion für den kleinen Himalaya-Staat Nepal, eines der ärmsten Länder der Welt. Doch was auf der einen Seite Arbeitsmöglichkeiten für die lokalen Bergführer und Träger – die Sherpas – bedeutet, bringt auf der anderen Seite lebensbedrohliche Risiken für sie mit. Dennis und Patrick Weinert sind zum Everest Base Camp getrekkt und haben mit Bergsteigern, Sherpas und ihren Familien gesprochen, um herauszufinden, was passiert, wenn nicht jeder vom Everest zurückkehrt. JETZT ANSEHEN

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Kolumbus entdeckte im Jahr 1492 Amerika - zumindest aus europäischer Sicht. Doch begeisterten sich die Menschen seiner Zeit für sein Vorhaben? Und hat er ich bei der Routenplanung verrechnet? Zum Film mit Christoph Kolumbus größten Irrtümern geht es HIER

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DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
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Zitator:
„Christoph Kolumbus, spanisch Cristóbal Colón, geboren um 1451 in der Republik Genua, gestorben 1506 in Valladolid, war ein spanischer Seefahrer in kastilischen Diensten, der im Jahr 1492 Amerika entdeckte, als er eine Insel der Bahamas erreichte.“ (Wikipedia)

Zitatorin:
1492! Das Jahr der Entdeckung Amerikas!

Zusp.1 Quintern:
Kolumbus hat Amerika entdeckt,.. ja...(lacht). Ich denke, Kolumbus steht für die nach wie vor anhaltende Mythenbildung eurozentristischer Provenienz, im Hinblick auf eine sogenannte Entdeckungsgeschichte. Meiner Meinung nach war er in erster Linie ein Eroberer, ein Konquistador. wir wissen beispielsweise, dass er als Pirat tätig war und Schiffe der Maya überfallen und geplündert hat. Also, ich denke, es bedarf einer Neuschreibung des Kolumbus in der Geschichte. (0:40)

Sprecherin:
Sagt Detlev Quintern, Islamwissenschaftler, Historiker und Direktor für Lehre und Entwicklung an der Fuat Sezgin Research Foundation for the History of Science in Islam in Istanbul. Ein Institut, an dem unter anderem zu der Frage geforscht wird, wie sehr die europäischen Entdecker sich auf Erkenntnisse arabischer Wissenschaftler gestützt haben. Denn: die Araber konnten schon Jahrhunderte vor den Europäern Längen- und Breitengrade ermitteln und brauchbare Karten zeichnen.
Aber dazu später. Zunächst steht fest: Kolumbus war in Amerika nicht alleine. Der Kontinent, den er zeitlebens für Indien hielt, war zur Zeit seiner sogenannten „Entdeckung“ bereits vollständig bewohnt.

Sprecher:
Kolumbus traf auf der Bahamas-Insel Guanahani, wie sie von den Einheimischen genannt wurde, das Volk der Arawak. Sie haben dem fremden Spanier und dessen Besatzung wohl gezeigt, was man auf ihrer Insel essen konnte und was nicht. Wo man gefahrlos sein Lager aufschlagen konnte. Vermutlich auch, wie man von ihrer Insel auf andere Inseln kam.

Meeresrauschen? Atmo? Musikakzent?

Sprecherin:
Die sogenannte Entdeckungsgeschichte der Welt müsste dringend umgeschrieben werden, findet auch der Politik- und Kulturwissenschaftler Prof. Volker Matthies von der Universität Hamburg.

Zusp. 2 Matthies:
Es handelt sich um eine Heldengeschichte, die Entdecker wurden gesehen als omnipotente Heroen, als Helden, die nicht der Hilfe der Einheimischen bedurften, um ihre Ziele zu erreichen, das war aber nicht der Fall. Diese Entdecker waren oft ganz jämmerliche Gestalten, die lebensnotwendig auf die Unterstützung indigener Begleiter angewiesen waren. (0:27)

Musik-Akzent

Sprecher:
Christoph Kolumbus schrieb über das indigene Volk auf den Bahamas, die Arawak, in seinen Logbüchern, diese seien naiv und immer gerne bereit zu teilen. Die Spanier begannen schon bald, sie für Arbeitsdienste zu versklaven.

Morde, Plünderungen, Krankheiten kamen dazu: Gut einhundert Jahre nach der Ankunft von Kolumbus auf den Bahamas gab es keine Arawak mehr.

Musikakzent

Zusp. 3 Matthies:
Es ist so, dass die europäischen Entdecker die Vorreiter des Imperialismus und Kolonialismus waren, und sie haben die Indigenen ja nur als passive Objekte ihrer Entdeckung gesehen. (0:14)

Sprecherin:
Der Politikwissenschaftler Volker Matthies hat in seinem Buch über indigene Begleiter europäischer Forschungsreisender zusammengetragen, wofür die europäischen Reisenden über Jahrhunderte Ureinwohner oder Angehörige fremder Völker gebraucht oder besser: missbraucht haben:

Zusp. 4 Matthies:
Zum einen als politische Autoritäten, die ihnen überhaupt erst erlaubten, in diesen Ländern zu reisen, dann als Sprach- und Landeskundige, beziehungsweise als Dolmetscher, Wegweiser, Mediatoren, interkulturelle Vermittler, und Diplomaten im Umgang mit indigenen Ethnien, ferner als Transporteure, als Lastenträger, als Bootsführer, Paddler, Tiertreiber und Tierpfleger, als Expeditionsleiter und Führer von Karawanen, schließlich als persönliche Diener, als Köche oder Krankenpfleger und nicht zuletzt auch als Jäger und Sammler zur Beschaffung von Naturalien für die naturkundlichen Sammlungen. (0:44)

Sprecher:
Die meisten dieser indigenen Helfer blieben in der Geschichtsschreibung namenlos. Nur einzelne Ureinwohner fanden Eingang in die Logbücher und Aufzeichnungen der großen Eroberer.

Musik-Akzent
Sprecherin:
Das vielleicht berühmteste Beispiel ist die Aztekin Malinche, die dem Konquistador Hernán Cortés im 16. Jahrhundert bei der Eroberung Mexikos behilflich war.

Zusp. 5 Matthies
Sie war eine Aztekenfürstentochter, ihre Familie gehörte zum mittleren Landadel, sie wurde dann aber zu einer Sklavin der Maya, und sie fiel dann in die Hände der Spanier, als diese im Konflikt mit den Maya gesiegt hatten. (0:17)

Sprecherin:
Malinches neuer Besitzer Cortés merkte schnell, dass ihm diese Frau ihm nicht nur als Sexsklavin gute Dienste leisten würde:

Zusp. 6 Matthies
Diese Aztekin namens Malinche war ein Sprachgenie, sie konnte Aztekisch oder Nahuatl, wie man auch sagt, und sie konnte auch Maya und lernte ganz schnell Spanisch; und wurde sozusagen die Art Chefdolmetscherin des Konquistadors Cortés. Man muss wohl sagen, dass ohne ihr Verhandlungsgeschick und ihre Dolmetscherkünste die Eroberung Mexikos viel schwieriger und langwieriger geworden wäre. (0:26)

Sprecherin:
Was Malinche in ihrer Heimat Mexiko übrigens bis heute nachgetragen wird:

Zusp. 7 Matthies:
Dort gilt sie als eine Verräterin an der Sache des mexikanischen Volkes, denn ihr schiebt man die Hauptschuld daran zu, dass die Eroberung Mexikos so erfolgreich verlaufen ist. Interessant ist, dass es sozusagen abgeleitet von ihrem Namen den Begriff des Malinchismo gibt, der so etwas bedeutet, wie Verrat an der mexikanischen Kultur und der Hinwendung zu fremdem Kulturen. (0:29)
Sprecherin:
Der eigenen Kultur entrissen, in der fremden nicht anerkannt – das war oft das Schicksal der Dolmetscher – oder, bei den Entdeckern oft noch beliebter: Dolmetscherinnen. Das galt auch für spätere Forschungsreisen:

Atmo Pferdegetrappel? Westernmusik?

Zusp. 8 Matthies:
Ein berühmtes Beispiel ist die Expedition von Lewis und Clark, 1804 bis 1806, die Durchquerung Nordamerikas im Auftrag der amerikanischen Regierung. Lewis und Clark, zwei Offiziere, waren überlebenswichtig angewiesen auf eine […] Dolmetscherin, eine Shoshonin […] namens Sacagawea, die shoshonisch und andere Sprachen sprach, und was ihnen erlaubte, mit den Gruppen, die sie unterwegs trafen, überhaupt in Verhandlungen einzutreten. (0:34)

Sprecherin:
Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass die Frau auf der Expedition ihr gerade mal zwei Monate altes Baby dabeihatte. In Regionen, die sie aus ihrer Kindheit kannte, erwies sie sich wohl als besonders gute Wegführerin – und sie begegnete dort auf traurige Weise auch ihrer eigenen Vergangenheit.

Zusp. 9 Matthies
Hier traf sie eine Freundin aus Jugendtagen, die ihr aber leider auch erzählen musste, dass der Großteil ihrer Familienangehörigen verstorben war, ein ganz dramatisches Wiedersehen fand statt mit ihrem Bruder, hier kam es dann auch zu Ausbrüchen von Tränen, sie musste die Verhandlungen immer wieder unterbrechen, weil der Tränenfluss lief. (0:25)

Sprecherin:
Eine der seltenen Überlieferungen, in denen eine indigene Helferin der europäischen Entdeckungsreisenden als menschliches beschrieben wird. Über Jahrhunderte tauchen die Führer, Dolmetscher und Wegbegleiter in den Aufzeichnungen nur in ihren Funktionen auf - oder als Forschungsgegenstand.

Sprecher:
Ein trauriges Beispiel dafür sind der bayerische Naturforscher Johann Baptist Spix und sein Botaniker-Kollege Carl Friedrich Philipp von Martius. Die beiden reisten Mitte des 19. Jahrhunderts im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ins Innere Brasiliens und hatten dort natürlich Kontakt mit der indigenen Bevölkerung, allerdings mit fragwürdiger Einstellung, erzählt der heutige Akademie-Präsident Prof. Thomas Höllmann.

Zusp. 10 Höllmann
Da hat man festzuhalten, dass die zwei Kinder mit nach München gebracht haben, zwei Kinder, die zwei unterschiedliche Sprachen sprachen und nicht miteinander kommunizieren konnten, und ganz übel anzumerken, diese Kinder haben in München nur noch kurze Zeit überlebt und wurden dann am südlichen Friedhof beigesetzt. (0:21)

Sprecherin:
Zwei Kinder einfach so nach Europa zu verschleppen, galt in der Wissenschaftswelt des 19. Jahrhunderts nicht als unmenschlich. Ähnlich wie Kolumbus und die Konquistadoren betrachteten auch spätere Forscher und Wissenschaftler die Indigenen als Objekte ihrer Entdeckung und als Arbeitskräfte. Obwohl de facto viele von ihnen an Ausführung und Planung von Expeditionen maßgeblich beteiligt waren.

Musik-Akzent
Sprecher:
Wie zum Beispiel der ehemalige Sklave Sidi Mubarak Bombay, der dem Entdecker John Hanning Speke und einigen anderen Forschungsreisenden Mitte des 19. Jahrhunderts in Ostafrika als Karawanenführer bei der Suche nach den Quellen des Nils half.

Zusp. 11 Matthies
Seine Verdienste waren die eines anerkannten Führers der Expedition, er war Dolmetscher, Informant und Diplomat in den Verhandlungen mit den lokalen Autoritäten, wenn es darum ging, Durchmarschrechte zu bekommen oder Wasserstellen nutzen zu dürfen, oder Proviant zu erwerben. (0:24)

Sprecherin:
Die berühmte Nilquellen-Expedition war ein von Großbritannien und der Royal Geographic Society großzügig unterstütztes Projekt. Der Sklave und spätere Karawanenführer Sidi Mubarak Bombay wird in den Aufzeichnungen darüber wohl auch deshalb so viel erwähnt, weil er ein markanter Charakter war.

Zusp. 12 Matthies
Die Europäer nannten als seine kritischen Punkte seine Trunksucht, seine Vorliebe für Frauen und seine Neigung zur Nutzung von Expeditionsressourcen für seine privaten Zwecke. (0:13)

Sprecherin:
Der sansibarische Trunkenbold, Frauenheld und Dieb Sidi Mubarak Bombay war aber de facto wohl der eigentliche Anführer der Expedition zu den Nilquellen. Der Kulturwissenschaftler Matthies geht sogar davon aus, dass die berühmte „europäische“ Nil-Expedition in Wahrheit ein afrikanisches Unternehmen war – die ohne Erlaubnis der Regierung von Sansibar nie hätte stattfinden können.

Zusp. 13 Matthies
Denn nominell herrschte der Sultan von Sansibar auch über große Teile Ostafrikas, dieser hatte immenses Interesse, seine Handelsinteressen zu intensivieren, es ging vor allem um Elfenbein und Sklavenhandel. Und er gab der Expedition seine Fahne mit, die blutrote Fahne von Sansibar, die sie vorweg tragen sollten. Es wehte also nicht die britische Flagge der Expedition voraus, sondern die Flagge Sansibars. (0:29)

Sprecherin:
Was die europäischen Forschungsreisenden natürlich nicht an die große Glocke hängten.

Akzent

Sprecher:
Als positives Beispiel im Umgang mit den einheimischen Helfern sind dagegen die Gebrüder Schlagintweit zu nennen, die berühmten Münchner Naturforscher, die Mitte des 19. Jahrhundert für ihre großen Indien- und Himalaya-Expeditionen bekannt wurden. Der Historiker Moritz von Brescius von der Universität Bern hat in deren Aufzeichnungen erstaunlich viele Hinweise auf indigene Partner gefunden. Beispielsweise auf einen Indo-Portugiesen namens Mr. Monteiro, der von den Schlagintweits zunächst für das Präparieren und Verpacken von Sammlungsgegenständen eingestellt wurde – sich aber schnell zum Oberaufseher der riesigen ethnografischen und naturhistorischen Sammlung – und ihrer indigenen Sammler - entwickelte.

Zusp. 14 von Brescius
Mr. Monteiro war eben in der Lage, aufgrund seiner eigenen Sprachfertigkeiten und seiner persönlichen Autorität diese Sammler zu koordinieren, aber dabei blieb es nicht. Die indigenen Helfer der Schlagintweits zeigten selber eine große Reisefreude oder eine große Neugierde, auch neue Techniken zu erlernen, sich auch mit wissenschaftlichem Instrumentarium aus Europa auseinanderzusetzen. (0:45)
Sprecherin:
Der indisch-portugiesische Mr. Monteiro und andere nicht-europäische Assistenten wie der multilinguale Schriftgelehrte Sayad Mohammad Said aus Kalkutta, der indische Arzt Harkishen, der usbekische Experte für Handelsrouten Murad aus Bokhara und der muslimische Karawanenführer Mohammed Amin – sie alle spielten eine wichtige Rolle bei der Himalaya-Expedition der Schlagintweits:

Zusp. 15 Von Brescius
Ich würde so weit gehen, dass das Monopol des Forschers nicht bei den Schlagintweits lag, bei dieser Expedition. Mr. Monteiro aber auch andere indigene Assistenten der Expedition, Wegführer und Übersetzer, waren zum Teil durchaus ausgebildete Forscher, das waren zum Teil geschulte Kartografen, es waren zum Teil ausgebildete Doktoren, die geschult waren und viel praktische Erfahrung mitbrachten und die selbst auch zu Entdeckern wurden, im Zuge der Schlagintweit-Expedition, weil sie die Brüder in Gebiete begleiteten, die für sie selbst zum Teil unbekannt waren. (0:37)

Sprecherin:
Insbesondere wenn die Brüder Schlagintweit das britisch kontrollierte Gebiet verließen, kam es dann auch oft zu einem Rollenwechsel:

Zusp. 16 Von Brescius
Das heißt, die Brüder waren gezwungen, die ganze Führung der Expedition an ihnen gänzlich unbekannte Personen abzugeben, die dann eben über die Routenwahl entschieden, die für die Proviantversorgung verantwortlich waren und die Brüder hatten ständig Angst vor Verrat, weil sie diesen Karawanenführern ausgeliefert waren. (0:21)

Sprecher:
Erstaunlich ist bei den Schlagintweit-Brüdern, dass sie die Rolle ihrer asiatischen Assistenten und Führer in ihren Aufzeichnungen offen würdigen.

Zusp. 17 Von Brescius
Damals gab es Publikationskonventionen in Europa, die es den meisten europäischen Reisenden untersagten, zuzugeben, wie abhängig sie von der Führung und der Hilfe dieser unbekannten indigenen Helfer waren, in Übersee. Das brach mit dem Bild des allmächtigen, allwissenden, mutigen, europäischen Forschers, der immer an der Spitze seiner Expeditionstruppe ins Unbekannte schreitet.

Die Brüder hingegen waren sehr offen darin. //

Musik-Akzent

Sprecher:
Nochmal zurück in der Geschichte: auch vom berühmten englischen Seefahrer James Cook weiß man, dass er auf seiner berühmten Seefahrt durch die Südsee im 18. Jahrhundert einen Nautiker namens Tupaia oder Tupia an seiner Seite hatte, der von den Einheimischen oft für den Anführer der Schiffsexpedition gehalten wurde.

Zusp. 18 Matthies
Tupia war ein Polynesier, er stammte von der Insel Rai Ratea, in der Nähe von Tahiti und er entstammte einer polynesischen Adelsfamilie und einer Familie von Navigatoren und Seefahrern. Er selbst war Priester eines Götterkults und ausgewiesener Navigator. (0:18)

Sprecherin:
.. und er konnte dolmetschen und diplomatische Verhandlungen führen. Was James Cook sehr entgegen kam. Eines der spannendsten Artefakte, die Cook von seinen Reisen durch den Pazifik mitbrachte, ist die berühmte Tupia-Karte, eine Art „mental map“, die der Polynesier damals gezeichnet hat.

Zusp. 19 Matthies
Das Orginal dieser Karte ist nicht mehr vorhanden, es gibt aber drei Kopien, drei Abschriften. Es geht vor allem um den Seeraum zwischen den Gesellschaftsinseln.
Dutzende von Inseln hat er sozusagen aus dem Kopf heraus in der oralen Tradition seiner Familie angeordnet auf Segelrichtungen, bezogen auf die Insel Raiatea als Zentrum der Gesellschaftsinseln. (0:30)

Sprecher:
Nicht zuletzt jahrhundertealtes polynesisches Wissen hat James Cook also erfolgreich durch die Südsee geleitet.

Sprecherin:
Andere wieder profitierten vom uralten Wissen der arabischen Seefahrt. Auch hier bringt die Forschung interessante Beiträge zum sogenannten „europäischen Entdeckungszeitalter“ ans Licht. So gilt als sicher, dass der berühmte portugiesische Seefahrer Vasco da Gama den Seeweg nach Indien gar nicht selbst entdeckt hat, sondern wohl eher auf altbekannten Wegen der arabischen Handelsschifffahrt unterwegs war, sagt der Islamwissenschaftler Detlev Qintern.

Zusp. 20 Quintern
Aus Forschungen portugiesischer Kollegen wissen wir, dass Vasco da Gama von einem arabischen Piloten der Weg gezeigt worden ist, so dass er nach Indien gelangen konnte. Dass er während dieser Fahrt arabische Seekarten gesehen hatte, mit Längen- und Breitengraden versehen, das ist bekannt, und dass er Hilfe hatte von arabischen Nautikern, die ihm den Weg zeigten. (0:43)

Sprecher:
Es sind nämlich nicht nur die Leistungen der Ureinwohner Amerikas, Afrikas oder Asiens in der europäischen Entdeckungsgeschichte systematisch unterschlagen worden. Auch die Beiträge der arabischen Wissenschaften und der arabischen Nautiker kommen in den Expeditionsgeschichten der Europäer nicht vor.
Sprecherin:
Womit wir wieder bei Kolumbus wären. Forschungen deuten darauf hin, dass der berühmte Spanier auf seinem Weg nach Amerika das uralte Wissen arabischer Seefahrer im Gepäck hatte. Ein Thema, das den im Sommer 2018 verstorbenen berühmten türkischen Arabisten und Islamwissenschaftler Fuat Sezgin sehr beschäftigt hat. An seinem Vermächtnis arbeitet Detlev Quintern an der Fuat Sezgin Research Foundation in Istanbul. Er sagt, die Forschung weiß zwar nicht genau, wer Kolumbus auf seiner ersten Schiffsreise zu den Bahamas begleitet hat…

Zusp. 21 Quintern
Gleichwohl wissen wir aus seinen Tagebüchern, dass er über Karten verfügte, Seekarten, die die vorgelagerten Inseln in der Karibik zeigten und diese Karten - das ist der große Beitrag von Fuat Sezgin - diese Karten in einen langzeithistorischen Kontext zu stellen, und zurückzuführen auf arabisches Wissen. (0:26)

Sprecher:
Kolumbus könnte also bei der Überfahrt nach Amerika tatsächlich auf alte arabische Seekarten zurückgegriffen haben – möglicherweise sogar arabische Lotsen dabeigehabt haben – so die Ansicht der Forscher am Fuat Sezgin-Insitut. Keine abwegige Vorstellung. Schließlich währte die Maurenherrschaft in Spanien und die sogenannte Reconquista, die Rückeroberung, ja bis in die Zeit von Kolumbus hinein.
Spätere Denkschulen der Renaissance waren zudem bemüht, die gesamte europäische Kultur auf griechische Quellen zurückzuführen – und islamische Wurzeln möglichst zu tilgen.

Sprecherin:
Und was haben die Angehörigen des einheimischen Volkes der Arawak auf der Bahamas-Insel Guanahani für Kolumbus und dessen Besatzung getan? Waren sie die ersten, die den Spaniern ihr wertvolles Wissen über den fremden Kontinent anvertrauten – bevor diese anfingen, ihn zu unterwerfen? Haben die Arawak die ersten Europäer eingewiesen, in Flora, Fauna und Kultur der Karibik?

Sprecherin:
Es gibt noch einiges zu entdecken, im „großen europäischen Entdeckungszeitalter“. Als sicher gilt schon jetzt: Die meisten der berühmten europäischen Expeditionen und Forschungsreisen waren aus heutiger Sicht wohl eher Gemeinschaftsprojekte. Internationale, multiethnische und multireligiöse Unternehmungen. Reisen, die oft auf dem uralten Wissen anderer Völker aufbauten. „Europäisch“ war am „europäischen Entdeckungszeitalter“ vor allem die Idee der Kolonialisierung, und: die tiefe Überzeugung von der eigenen kulturellen Überlegenheit.

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