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ΕΠΙΧΟΡΗΓΟΎΜΕΝΟ
In 1966, two Brazilian men were found dead on Vintém Hill under bizarre circumstances that continue to perplex investigators and conspiracy theorists alike. Lying side by side, their bodies were discovered wearing matching lead masks—shields with no eyeholes—alongside cryptic notes. Were they victims of a cult ritual, a failed experiment, or something even more otherworldly? See Privacy Policy at https://art19.com/privacy and California Privacy Notice at https://art19.com/privacy#do-not-sell-my-info .…
Jonathan Lethem – Der Fall Brooklyn
Manage episode 471437407 series 2808962
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Jonathan Lethem eröffnet seinen Roman mit einer merkwürdigen Szene im Jahr 1978. Da sitzen zwei vierzehnjährige Jungs in einer Wohnung und zersägen 25-Cent-Münzen in vier Teile. Eine „völlig sinnlose Tätigkeit“, wie auch der Erzähler feststellt. Was natürlich nicht stimmt, denn noch am selben Tag wird sich zeigen, was es damit auf sich hat – die Leser erfahren das allerdings erst 300 Seiten später. Jonathan Lethems Roman hat eine ungewöhnliche Erzählstruktur. Er ist eine Collage aus Short Cuts, Erzählungen, Ereignissen, angesiedelt in den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart hinein, kunstvoll arrangiert zu einem Wimmelbild von Brooklyn. Ein Querschnitt durch die Zeiten; die Bühne besteht aus nur wenigen Straßen, und trotzdem ist das Buch vielfältig, abwechslungsreich und gesellschaftsdiagnostisch. Wer aber ist dieser Erzähler überhaupt, der mal in der Wir-, mal in der Ich-Form aus der Dean Street in Brooklyn erzählt? Zunächst einmal jemand, der sich gleich zu Beginn selbst zu strikter Sachlichkeit ermahnt:
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Aufwachsen mit täglicher Kriminalität
Ein Mittel gegen Lyrismen. Halten wir das Licht, besonders das honigfarbene Licht, von unseren Augen fern. Nur die Fakten, Mann – keine malerischen Effekte. Wir sind hier, um Verbrechen aufzulisten. Die Stadt ist ein Netz von schematischen Darstellungen. Versuchen wir, ein paar Nadeln in die Karte zu stecken.Dieses Vorhaben scheitert – glücklicherweise. Der Titel „Der Fall Brooklyn“ greift ganz bewusst auf juristisches Vokabular zurück. Lethem zeigt, wie Jugendliche in Brooklyn in den 1970er-Jahren, die er selbst dort erlebt hat, in einem Umfeld selbstverständlicher Kriminalität aufwachsen. Überfälle, Diebstähle, Drohungen und Machtkämpfe unter rivalisierenden Gangs sind der Normalfall. Lethem kennt die Sprüche, die Gesten, das Distinktionsgehabe bis ins kleinste Detail. Und er erzählt davon in einem swingenden, mitreißenden Tonfall, ohne den Ernst der Lage zu verharmlosen. Für die Straßenkriminalität und die Raubüberfälle unter den Jugendlichen wählt Lethem das Bild des Tanzes: Ein streng choreographierter Ablauf von Blicken, Bewegungen und Dialogen, von dem abzuweichen beinahe ein Vergehen ist und den nur die Jugendlichen untereinander verstehen:Quelle: Jonathan Lethem – Der Fall Brooklyn
Die Geschichte vom Pizzadieb
Die Eltern werden es nie wirklich kapieren. Was draußen vor sich geht. Wie sich der Tanz wirklich anfühlt. Die Worte, die gesprochen werden, und das, was gemeint ist, die Bedeutung, die hinter den Worten der Straße lauert.Und weil das so ist, gilt für jeden Einzelnen da draußen auf der Straße: „Schütz dich selbst. Niemand anderes tut es für dich. Entwickle Methoden." Staat, Polizei, Hausbesitzer oder Behörden sind hier keine Autoritäten. Im Gegenteil: Sie sind Player im großen Getriebe, das Lethem in seinen Beschreibungen offenlegt. Auch die Mafia mischt natürlich kräftig mit. Und in einem Sprung in die zweite Hälfte der 1990er-Jahre wird beschrieben, welche Auswirkungen die restriktiven Polizeimaßnahmen unter Bürgermeister Giuliani hatten. Dass es trotz aller Härten auch zu kuriosen Situationen kommt, versteht sich: Da ist beispielsweise der Kunde eines Optikers, der regelmäßig einen dunklen Fleck auf seiner Brille moniert. Da sind Berichte von missglückten Überfällen, allen voran der kuriose Fall, in dem ein Pizzadieb scheitert, weil sein Opfer das Stück einfach schnell aufisst, woraufhin der fassungslose Täter empört protestiert, dass das so nicht gehe. Da ist aber auch die Geschichte der beginnenden Gentrifizierung des Stadtteils in Person eines angeblichen Millionärs, der eines der alten Häuser kauft, aufwendig renoviert und dort einzieht.Quelle: Jonathan Lethem – Der Fall Brooklyn
Ein Millionär zieht ein
Der Sohn dieses Millionärs wird alsbald eine Lektion in Sachen Ladendiebstahl erhalten. Er lernt, dass wenn ein weißer und ein schwarzer Junge gemeinsam ein Geschäft betreten, der Weiße ungehindert heraustragen kann, was er möchte, weil es der Schwarze ist, der gefilzt wird. Es ist aber auch jener vermeintliche Millionärssohn, der am Ende zu einem der beiden wirklich erschreckenden Kriminalfälle beitragen wird, die der Erzähler recherchiert hat. Der Erzähler wiederum, der über rund 400 Seiten als alles sehende, alles wissende und alles kontextualisierende Instanz aufgetreten ist, erweist sich schließlich als eines der erwachsen gewordenen Kinder aus der Dean Street:Es gab die, die abgehauen sind, und die, die geblieben sind; ich war einer von denen, die geblieben sind. Mehr will ich nicht verraten. Ich will lieber nicht deutlicher werden. Sagen wir einfach, ich bin für immer unter ihnen. Schwarzen, Braunen, Weißen, Jungen, Mädchen. Den Erinnerern und den Vergessern. Ich gehöre zu ihnen. Ich liebe sie zu sehr, um mehr sagen zu wollen.Eine Liebeserklärung an die Stadt. Manchmal nostalgisch, nie verklärend – und exzellent geschrieben: „Der Fall Brooklyn“ zeigt Jonathan Lethem endlich wieder in Bestform. Ein Stadtteil, der immer im Schatten des glamourösen Manhattan lag, wird zur Bühne für einen Reigen aus Träumen, Ängsten und sozialen Verwerfungen. Und was es mit den zersägten Münzen der beiden Vierzehnjährigen auf sich hat, wird hier selbstverständlich nicht verraten.Quelle: Jonathan Lethem – Der Fall Brooklyn
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Manage episode 471437407 series 2808962
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Jonathan Lethem eröffnet seinen Roman mit einer merkwürdigen Szene im Jahr 1978. Da sitzen zwei vierzehnjährige Jungs in einer Wohnung und zersägen 25-Cent-Münzen in vier Teile. Eine „völlig sinnlose Tätigkeit“, wie auch der Erzähler feststellt. Was natürlich nicht stimmt, denn noch am selben Tag wird sich zeigen, was es damit auf sich hat – die Leser erfahren das allerdings erst 300 Seiten später. Jonathan Lethems Roman hat eine ungewöhnliche Erzählstruktur. Er ist eine Collage aus Short Cuts, Erzählungen, Ereignissen, angesiedelt in den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart hinein, kunstvoll arrangiert zu einem Wimmelbild von Brooklyn. Ein Querschnitt durch die Zeiten; die Bühne besteht aus nur wenigen Straßen, und trotzdem ist das Buch vielfältig, abwechslungsreich und gesellschaftsdiagnostisch. Wer aber ist dieser Erzähler überhaupt, der mal in der Wir-, mal in der Ich-Form aus der Dean Street in Brooklyn erzählt? Zunächst einmal jemand, der sich gleich zu Beginn selbst zu strikter Sachlichkeit ermahnt:
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Aufwachsen mit täglicher Kriminalität
Ein Mittel gegen Lyrismen. Halten wir das Licht, besonders das honigfarbene Licht, von unseren Augen fern. Nur die Fakten, Mann – keine malerischen Effekte. Wir sind hier, um Verbrechen aufzulisten. Die Stadt ist ein Netz von schematischen Darstellungen. Versuchen wir, ein paar Nadeln in die Karte zu stecken.Dieses Vorhaben scheitert – glücklicherweise. Der Titel „Der Fall Brooklyn“ greift ganz bewusst auf juristisches Vokabular zurück. Lethem zeigt, wie Jugendliche in Brooklyn in den 1970er-Jahren, die er selbst dort erlebt hat, in einem Umfeld selbstverständlicher Kriminalität aufwachsen. Überfälle, Diebstähle, Drohungen und Machtkämpfe unter rivalisierenden Gangs sind der Normalfall. Lethem kennt die Sprüche, die Gesten, das Distinktionsgehabe bis ins kleinste Detail. Und er erzählt davon in einem swingenden, mitreißenden Tonfall, ohne den Ernst der Lage zu verharmlosen. Für die Straßenkriminalität und die Raubüberfälle unter den Jugendlichen wählt Lethem das Bild des Tanzes: Ein streng choreographierter Ablauf von Blicken, Bewegungen und Dialogen, von dem abzuweichen beinahe ein Vergehen ist und den nur die Jugendlichen untereinander verstehen:Quelle: Jonathan Lethem – Der Fall Brooklyn
Die Geschichte vom Pizzadieb
Die Eltern werden es nie wirklich kapieren. Was draußen vor sich geht. Wie sich der Tanz wirklich anfühlt. Die Worte, die gesprochen werden, und das, was gemeint ist, die Bedeutung, die hinter den Worten der Straße lauert.Und weil das so ist, gilt für jeden Einzelnen da draußen auf der Straße: „Schütz dich selbst. Niemand anderes tut es für dich. Entwickle Methoden." Staat, Polizei, Hausbesitzer oder Behörden sind hier keine Autoritäten. Im Gegenteil: Sie sind Player im großen Getriebe, das Lethem in seinen Beschreibungen offenlegt. Auch die Mafia mischt natürlich kräftig mit. Und in einem Sprung in die zweite Hälfte der 1990er-Jahre wird beschrieben, welche Auswirkungen die restriktiven Polizeimaßnahmen unter Bürgermeister Giuliani hatten. Dass es trotz aller Härten auch zu kuriosen Situationen kommt, versteht sich: Da ist beispielsweise der Kunde eines Optikers, der regelmäßig einen dunklen Fleck auf seiner Brille moniert. Da sind Berichte von missglückten Überfällen, allen voran der kuriose Fall, in dem ein Pizzadieb scheitert, weil sein Opfer das Stück einfach schnell aufisst, woraufhin der fassungslose Täter empört protestiert, dass das so nicht gehe. Da ist aber auch die Geschichte der beginnenden Gentrifizierung des Stadtteils in Person eines angeblichen Millionärs, der eines der alten Häuser kauft, aufwendig renoviert und dort einzieht.Quelle: Jonathan Lethem – Der Fall Brooklyn
Ein Millionär zieht ein
Der Sohn dieses Millionärs wird alsbald eine Lektion in Sachen Ladendiebstahl erhalten. Er lernt, dass wenn ein weißer und ein schwarzer Junge gemeinsam ein Geschäft betreten, der Weiße ungehindert heraustragen kann, was er möchte, weil es der Schwarze ist, der gefilzt wird. Es ist aber auch jener vermeintliche Millionärssohn, der am Ende zu einem der beiden wirklich erschreckenden Kriminalfälle beitragen wird, die der Erzähler recherchiert hat. Der Erzähler wiederum, der über rund 400 Seiten als alles sehende, alles wissende und alles kontextualisierende Instanz aufgetreten ist, erweist sich schließlich als eines der erwachsen gewordenen Kinder aus der Dean Street:Es gab die, die abgehauen sind, und die, die geblieben sind; ich war einer von denen, die geblieben sind. Mehr will ich nicht verraten. Ich will lieber nicht deutlicher werden. Sagen wir einfach, ich bin für immer unter ihnen. Schwarzen, Braunen, Weißen, Jungen, Mädchen. Den Erinnerern und den Vergessern. Ich gehöre zu ihnen. Ich liebe sie zu sehr, um mehr sagen zu wollen.Eine Liebeserklärung an die Stadt. Manchmal nostalgisch, nie verklärend – und exzellent geschrieben: „Der Fall Brooklyn“ zeigt Jonathan Lethem endlich wieder in Bestform. Ein Stadtteil, der immer im Schatten des glamourösen Manhattan lag, wird zur Bühne für einen Reigen aus Träumen, Ängsten und sozialen Verwerfungen. Und was es mit den zersägten Münzen der beiden Vierzehnjährigen auf sich hat, wird hier selbstverständlich nicht verraten.Quelle: Jonathan Lethem – Der Fall Brooklyn
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SWR Kultur lesenswert - Literatur

Der diesjährige Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik geht an die 1962 in Krasnojarsk geborene und in Frankfurt am Main lebende Lyrikerin Olga Martynova. Die Jury würdigte den im S. Fischer Verlag erschienenen Gedichtband "Such nach dem Namen des Windes" als herausragende Neuerscheinung des Jahres 2024. Der Peter-Huchel-Preis wurde am 3. April 2025, dem Geburtstag Huchels, in Staufen verliehen. Preisstifter sind der Südwestrundfunk und das Land Baden-Württemberg. Zu den bisherigen Preisträger*innen gehören u. a. Elke Erb, Ulf Stolterfoht, Marion Poschmann, Steffen Popp und Anja Utler.…
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SWR Kultur lesenswert - Literatur

Ein neuer Kracht ist noch immer ein Ereignis: Es beginnt in einem kleinen Haus am Meer an auf einer schottischen Insel und endet in einer Parallelwelt, in der ein rachsüchtiger Fürst die Bevölkerung einer geheimnisvollen Steinstadt unterjochen will. Ist Kracht unter die Fantasy-Autoren gegangen?
Ein unbeschwerter Sommer am Atlantik. Eine vermeintliche Idylle, in die das Unbehagen einsickert. Die Wälder brennen, ein Kind verschwindet. Nina Bußmann inszeniert einen Urlaub als ein leises und bedrohliches Kammerspiel.
Inés hat die Geliebte ihres Mannes erschossen. Nun, 15 Jahre später, kommt sie aus dem Gefängnis in eine andere Welt, in der sie sich zurechtfinden muss. Und Geld verdienen. Sie eröffnet ein Unternehmen: Schädlingsbekämpfung und Detektivdienste.
Der zehnte von elf Bänden von Maiers Projekt „Ortsumgehung“. Stück für Stück hat Maier den Radius und den Blick geweitet. Nun geht es noch einmal um das Große und Ganze: das Gute und das Böse. Und wie es in die Menschen kommt.
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SWR Kultur lesenswert - Literatur

1 SWR Bestenliste April 1:07:29
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Auf dem Programm standen: Claudia Piñeiros Roman „Die Zeit der Fliegen“, für den Unionsverlag von Silke Kleemann ins Deutsche übertragen. Andreas Maiers Roman „Der Teufel“ (Suhrkamp Verlag), Christian Krachts „Air“ (Kiepenheuer & Witsch Verlag) und Nina Bußmanns Sommergeschichte „Drei Wochen im August“ (Suhrkamp Verlag). Es geht in den Büchern um Schädlingsbekämpfung und Feminismus, Fernsehen und politisch korrekten Sex, um Inneneinrichtung und das Design unserer kulturellen Erinnerung, brennende Wälder und köchelnde Beziehungen. Die ausgewählte Prosa überzeugte die Jury trotz unterschiedlicher Lesarten in den meisten Fällen und wurde dementsprechend mit viel Lob bedacht. „Ist das abendfüllend?“ fragte Eberhard Falcke am Schluss der Veranstaltung in die Runde, weil er die Figurenführung in Bußmanns Roman unterm Strich für zu eindimensional hielt. Warum aber gerade der Roman der Spitzenreiterin auf der April-Bestenliste in seiner inhaltlichen wie sprachlichen Uneindeutigkeit sehr zeitgemäß ist, wussten daraufhin Kirsten Voigt und Jörg Magenau zu erklären. Ein Gespräch, das nicht zuletzt zeigte, wie unterhaltsam und erhellend Literaturkritik auf der Bühne sein kann. Aus den vier Büchern lasen Isabelle Demey und Johannes Wördemann. Durch den Abend führte Carsten Otte.…
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SWR Kultur lesenswert - Literatur

Kristine Harthauer: Du bist als Autorin zum ersten Mal auf der Leipziger Buchmesse. Wie viel Meme-Potenzial hat die Messe? Was ist dein erster Eindruck? Svea Mausolf: Auf den ersten Blick natürlich tonnenweise, weil wirklich ganz viele Leute hier sind. Ich glaube, jeder hier hat ganz viele Geschichten, die ich potenziell verwursten könnte. Kristine Harthauer: Auf deinem Instagram-Account hast du auch schon ein paar Memes über dein Buch gepostet. Auf einem sieht man einen älteren, grauhaarigen Mann, so Typ ewiger Rocker mit Lederboots und Tattoos. Der sitzt auf einer Parkbank, er beugt sich in Richtung Kamera und fragt ganz keck: „Junge Frau, darf ich fragen, was die da lesen?“. Svea Mausolf, darf ich fragen, wie es ist, das Internet zu verlassen und mit dem ersten eigenen Buch unterwegs zu sein? Svea Mausolf: Also, für mich ist dieser Sprung in die physischen Medien irgendwie auch beruhigend. Ich habe immer das Gefühl, das Internet ist so flüchtig und könnte jeden Moment vorbei sein. Deswegen freue ich mich riesig, dass ich vielleicht auch als Romanautorin Fuß fassen kann und vielleicht gar nicht mehr jeden Tag bangen muss, ob mein Instagram-Account nicht vielleicht gelöscht wurde und meine ganze Existenz flöten geht. Kristine Harthauer: Die Angst hätte ich auch, wenn man so abhängig ist vom Algorithmus. Svea Mausolf: Und von Mark Zuckerberg, das wünscht man sich auch nicht. Ein Höllenritt voller Körperflüssigkeiten Kristine Harthauer: Dein Roman heißt „Image“. Es geht um Peggy, Ende 30, die ein Zimmer in ihrer Kölner Altbauwohnung vermietet – an ein schmieriges Muttersöhnchen namens Martin. Dann macht ihre Freundin mit ihr Schluss und Peggy landet in einer schäbigen Kneipe namens „Image“. Und was dann passiert, das ist ein Höllenritt voller Körperflüssigkeiten, Wutanfälle, zerstörten Möbeln und auch Körperteilen. Ich habe mich beim Lesen schon gefragt: Woher nimmst du diese Bilder? Svea Mausolf: Also es klingt so platt zu sagen „Da steckt alles in mir drin“. Besonders, wenn man sich irgendwie den Inhalt des Buches mit all seinen Schrecken vor Augen ruft. Ich glaube, mich interessiert einfach auch Abgründiges. Das kitzelt mich. Da mag ich drüber nachdenken, da mag ich auch noch meine eigene Fantasie spielen lassen und mich so ein bisschen treiben lassen in alles, was spritzt, in alles, was eklig ist. Was auch vielleicht nicht mit Körperflüssigkeiten zu tun hat. Ich glaube, mich interessiert einfach auch Abgründiges. Das kitzelt mich. Quelle: Svea Mausolf, Autorin Also Ekel geht ja weit darüber hinaus, auch in dem Buch. Menschen, aus denen es nicht trieft, können auch eklig sein. Und das in all seiner Härte zu beschreiben, das zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht. Eine grobe Skizze vom Spätkapitalismus, in dem wir leben Kristine Harthauer: Wenn jemand das Buch noch nicht gelesen hat und eben diesen Titel hört, „Image“, wie würdest du dein Buch skizzieren? Svea Mausolf: Es passiert ja sehr viel. Es sind viele Charaktere, die ich anreiße. Es hat zwar irgendwie eine strenge Handlung, der es folgt, aber immer wieder streife ich das Leben anderer, die nur ganz kurz vorkommen. Ich finde, das ist irgendwie auch eine grobe Skizze des Spätkapitalismus, in dem wir leben, und des Abgründigen, das sich so auftut. Wo manch anderer vielleicht nicht so gern hinschaut, wo ich dann ganz genau hingucke und auch Charaktere seziere, bis kaum noch was von ihnen übrig bleibt. So? Ich finde, in Überzeichnungen liegt ganz viel Wahrheit. Ich bin auch Fan von Kalauern, die immer funktionieren. Quelle: Svea Mausolf, Autorin Kristine Harthauer: Gleichzeitig sind diese Figuren ja auch ziemliche Stereotype. Da hast du keine Angst davor. Was gefällt dir an dieser Überzeichnung? Svea Mausolf: Ich finde, in Überzeichnungen liegt ganz viel Wahrheit. Ich bin auch Fan von Kalauern, die immer funktionieren. Kalendersprüche haben immer was Wahres. Ich finde, so wie es bei Memes funktioniert, funktioniert es im Literarischen auch und besonders, wenn es um Humor geht. Dass ich in der Überzeichnung immer den wahren Schmerz finde. Ich finde, Literatur kann auch gerne so was Comichaftes haben, was nicht im Alltag zu finden ist, aber gerade dann doch überall, wo man hinsieht. Weil es eben so detailliert und so überzeichnet beschrieben ist. Rache am Patriachat? Kristine Harthauer: Du zerlegst ja eigentlich die deutsche Gesellschaft und du zeigst die homophoben, rassistischen und sexistischen Abgründe dieser Gesellschaft. Quasi alle bekommen ihr Fett weg, vom Rich Kid wie Peggy bis hin zum klassischen Reihenhausbesitzer. Vor allem Männern gegenüber bist du gnadenlos. Die Männer in deinem Buch sind ja eigentlich Witzfiguren. Vor allem Martin, das ist wirklich ein Stereotyp eines Millennial Boys. Siehst du oder kennst du Typen wie ihn aus der echten Welt? Svea Mausolf: Ja, noch und nöcher. Die schießen ja wie Unkraut aus dem Boden und sind auch leider nicht tot zu kriegen, auch wenn ich es versucht habe. Besonders in meiner Vergangenheit, in meinem Kunststudium, sind mir fast nur solche Männer begegnet. Die sich Themen wie Feminismus vorne auf die Fahne schreiben und dann hintenrum eigentlich gar nicht so sind und nur nerven. Kristine Harthauer: Ja, die sich die Nägel lackieren, aber teilweise eben einfach wahnsinnig misogyn gegenüber Frauen sind. Ist das auch eine Art Rache am Patriarchat, die du mit deiner Kunst ausübst? Svea Mausolf: Also wenn man es so betrachten will, kann man das gerne so lesen. Ich finde, ich als Frau müsste mich viel, viel vehementer rächen für alles, was uns als Frauen so passiert ist. Da reicht ein witziges Buch wahrscheinlich nicht aus. Das ist ja dann eher ein Fliegenschiss auf alles, was bisher passiert ist: von Hexenverbrennung bis hin zu Frauenmorden, die so passieren. Und da komme ich daher als komische junge Frau und mache mich ein bisschen drüber lustig. Das wird wohl als Rache nicht ausreichen. Keine reine Autofiktion Kristine Harthauer: Aber trotzdem ruft es ja auch heftige Reaktionen hervor in den Kommentaren. Es lässt die Männer nicht kalt. Svea Mausolf: Eigentlich finde ich, viele Männer sind mir dann doch sehr wohlgesonnen. Besonders die, die es irgendwie in ihr Bumble-Profil reinmachen, dass sie meine Memes gern angucken oder meine Bücher lesen. Kristine Harthauer: Die gibt's also auch, meine Güte. Sag mal, in welchem Umfeld bist du eigentlich aufgewachsen? Auch hinter den Spitzengardinen im Reihenhaus? Svea Mausolf: Ich würde sagen, guter Mittelstand. Mein Vater war Polizist, meine Mutter arbeitet auch bei der Polizei. Also Eigenheim. Es war nie zu wenig Geld da, aber auch nie zu viel, würde ich sagen. Es steckt sicherlich viel von Peggy in mir, aber von mir steckt auch viel in allen anderen Figuren. Kristine Harthauer: Du hast, so wie deine Figur Peggy, aber auch nie zu viel, würde ich sagen. Du hast wie Peggy auch ein Kunststudium abgebrochen. Du lebst, soweit ich weiß, auch in Köln. Wie weit bist du davon entfernt, den Weg von Peggy einzuschlagen? Oder wie viel von dir spiegelt sich da wieder? Svea Mausolf: Es ist kein autofiktionaler Roman. Es steckt sicherlich viel von Peggy in mir, aber von mir steckt auch viel in allen anderen Figuren. Ich sehe mich da in jedem, sogar in Martin, und würde fast sagen, dass ich am ehesten den Weg von Renate einschlagen wollen würde, die später im Buch vorkommt. „Wenn ich scheitere, dann scheitere ich vor einer Viertelmillion Menschen“ Kristine Harthauer: Also mit der eigenen Eckkneipe. Wie ist es für dich jetzt, dass du quasi die Form gewechselt hast? Mit deinem Account erreichst du auf Instagram 280.000 Follower. Jetzt mit dem Buch, spürst du da eine andere Form von Druck? Svea Mausolf: Ich glaube, ich habe immer ein bisschen Druck. Es ist ja auch bei Instagram ein konstantes Schaffen. Ich habe ja mal täglich Memes gemacht, dann immer weniger auch wegen des Drucks und dann auch wegen anderer kreativer Aufgaben, wie zum Beispiel die mit dem Buch. Aber natürlich ist da immer so eine Angst dabei, etwas vor Augen vieler zu veröffentlichen. Es ist ja nicht so, dass ich mit einem Debüt ohne Publikum gestartet bin. Ich dachte: Wenn ich scheitere, dann scheitere ich vor einer Viertelmillion Menschen. Und das ist natürlich irgendwie ein hartes Ding so. Aber geschafft. Langform statt Memes und direktem Feedback Kristine Harthauer: Geschafft. Es gibt dieses berühmte Zitat von Karl Valentin: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“. Was macht dir mehr Arbeit? Einen 200 Seiten starken Roman zu schreiben, wahrscheinlich über Monate hinweg, oder auf Instagram eine Galerie mit zehn Memes zu posten? Svea Mausolf: Natürlich ist das mit den Memes super schnell. Also es ist ja so, dass ich da direkt ein Feedback bekomme, was dann irgendwie mit meinem Dopaminhaushalt ein bisschen spielt. Es war dann auch irgendwie schwierig in der Langform, als ich eben keine direkte Antwort dafür bekommen habe, was ich gemacht habe. Unterm Strich ist aber das Romanschreiben viel mehr Arbeit, als so ein Witzbild im Internet zu machen. Kristine Harthauer: Und meinst du, du wirst es noch ein zweites Mal ausprobieren wollen? Svea Mausolf: Absolut, sehr gerne sogar. Noch ein drittes, ein viertes.…
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Neue Bücher von Ingeborg Arvola, Oliver Lovrenski, Susan Barker, ein Gespräch mit der Preisträgerin des Preises der Leipziger Buchmesse 2025 und eine Gratulation zum 85. Geburtstag
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SWR Kultur lesenswert - Literatur

1 Preis der Leipziger Buchmesse
„Zuversicht darf nicht zur Floskel verkommen“ - Kristine Bilkau über ihren Roman „Halbinsel“ 11:58
Ihr Roman „Halbinsel“ kreist genau um dieses Paradox und um die Frage, wie sich eine Mutter und ihre erwachsene Tochter auf Augenhöhe begegnen können. Für ihr Buch wurde Kristine Bilkau mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.
Es fällt nicht sogleich ins Auge und wurde bisher eher selten bemerkt: Aber auch das Glück spielt im Werk von Uwe Timm eine entscheidende Rolle. Gewiss mag das überraschen bei diesem Schriftsteller der sich so oft mit den finsteren Momenten der jüngeren deutschen Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Ja, es ist eine katastrophische Geschichte, und deshalb ist auch einer dieser Hauptmomente in der neueren deutschen Geschichte eben dieses Kriegerische, das weitgehend auch die Mentalität geprägt hat. Quelle: Uwe Timm Glücksmomente - trotz alledem Trotzdem leuchtet das Glück in vielen seiner Erzählwerke auf, zumindest für kurze Augenblicke. Sogar in dem düsteren Roman „Morenga“ über den kolonialistischen Völkermord in Südwestafrika gibt es Glücksfälle der Mäßigung und besseren Einsicht. In „Heißer Sommer“, dem Roman über die Studentenbewegung erfährt der Held im politischen Handeln das Glück der Solidarität. Und gleich mehrere Glückserfahrungen macht die Heldin der Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“ in den Wirren am Ende des Zweiten Weltkriegs. Fast ein Nachkriegskind Glück hatte auch Uwe Timm selbst schon in seinen ersten Anfängen, nämlich mit dem Geburtsjahr 1940. Denn damit war er durch sein kindliches Alter gefeit gegen Irrwege wie die seines älteren Bruders, dessen Schicksal als SS-Soldat er später in einer Erzählung schilderte. Allerdings hatte auch der kleine Uwe sein Schlüsselerlebnis mit der Nazi-Diktatur: „Also mir hatte man gerade beigebracht, die Hacken zusammen zuschlagen und Heil Hitler zu sagen. Und plötzlich sagte man mir, das darfst du nicht machen. Und dieser Bruch ist auch so ein Erlebnis, wie Autorität plötzlich sich veränderte und zusammenbrach." Die Gegnerschaft zum Autoritarismus wurde zu einem Zentralmotiv in Uwe Timms Leben und Werk. Die Vollendung seiner persönlichen Bildungsgeschichte gelang ihm in nur zehn Jahren, von den Anfängen als Hamburger Kürschnersohn, der für eine Weile dem Vater im familiären Handwerksbetrieb nachfolgte, über den promovierten Jung-Akademiker bis zum politisch engagierten Schriftsteller. Timm erzählt: „Das ist dann ein Prozess gewesen durch die Studentenbewegung, dass ich mich auch politisiert habe. Politisiert meine ich jetzt nicht in der Bedeutung von Parteipolitik, sondern dass man so einen schärferen Blick für gesellschaftliche Probleme bekommt." Der Blick für gesellschaftliche Probleme Mit diesem geschärften Blick für gesellschaftliche aber auch historische Probleme fand er dann die Themen für sein umfangreiches Werk von Erzählprosa, Essayistik, Hörspielen und Drehbüchern. Dieses Werk ist ein Dokument und Spiegel deutscher Zeitgenossenschaft. Und oftmals geht es darin nicht nur um die bare Wirklichkeit, sondern auch darum, den Gedanken an ihre Veränderung wach zu halten, wie Uwe Timm in einem Telefoninterview mit dem SWR betonte: „Ja, ich denke Literatur tut das auch, dieses utopische Denken als Gegenwirklichkeit hat sie als Thema geradezu. Das ist eben die große Leistung von Literatur, dass sie das kann auch wenn sie die Dystopie beschreibt, also die Katastrophe beschreibt, dass da immer auftaucht der Konterpart, das heißt dass es eine andere friedliche Welt gibt, die auch glückverheißend ist." Obwohl sich derzeit die Dystopien bedrohlich vermehren, ist es Uwe Timm zum 85. Geburtstag zu wünschen, dass ihm sein ermutigender Sinn für das Utopische erhalten bleibt.…
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SWR Kultur lesenswert - Literatur

Gerade die „quietschbunten“ New-Adult-Romane stünden für Kommerz und Event, aber eben auf für eine gewisse Inhaltsleere. Die Präsentation des Gastlandes Norwegen hebe hingegen die „Messelaune“. Literatur aus dem Gastland Norwegen sei nicht nur wegen der vielfältigen Texte erfolgreich, vom autofiktionalen Mammutprojekt bis hin zur Kriminalliteratur. Kulturpolitischen Rahmenbedingungen für den Erfolg Es gebe in Norwegen auch die notwendigen kulturpolitischen Rahmenbedingungen für diesen Erfolg: Zum Beispiel ein staatlich gefördertes Beschaffungsprogramm für öffentliche Bibliotheken, das auch kleinen Lyrik-Verlagen Einnahmen verschafft – daneben keine Mehrwertsteuer auf Bücher und eine strenge Buchpreisbindung.…
Ingeborg Arvola ist ein zurückhaltender Mensch. Das ist beim Treffen in einem separaten Raum in der altehrwürdigen Nationalbibliothek nah beim verschneiten Schlosspark im Zentrum Oslos nicht zu übersehen. Aber wenn die 50 Jahre alte Schriftstellerin, die seit langem in der norwegischen Hauptstadt lebt, von der Gegend erzählt, in der sie aufgewachsen ist, dann verändert sie sich, dann leuchten ihre Augen. Sie stammt aus dem äußersten Norden des Landes, der sogenannten Finnmark, und gehört zur Minderheit der Kvenen, Nachkommen finnischer Einwanderer, erzählt sie: „Mein Vater kam von einem Bauernhof. Wenn ich für längere Zeit bei ihm wohnte, war das wie eine Reise in die Vergangenheit. Gesprochen wurde Finnisch oder Kvenisch. Wir waren mit Pferd und Schlitten unterwegs, holten Heu aus der Scheune, um es zu den Tieren auf dem Hof zu bringen. Er lebte in einer Lehrerwohnung in der Nähe der Schule. Und wenn wir zum Arvola-Hof fuhren, mussten wir im Sommer mit Booten oder im Winter mit Skiern über den Fluss fahren. In gewisser Weise hatte ich das Gefühl, dass ich die Letzte war, die eine wirklich alte Zeit erlebte, weil er der Letzte war, der das Pferd herumführte.“ Gegen alle Widerstände Es ist wohl diese sehr intime Kenntnis einer fernen, einfachen Lebensweise, die Ingeborg Arvolas Roman „Der Aufbruch“ so lesenswert macht. Das Buch, Auftakt ihrer Eismeer-Trilogie, führt weiter zurück als nur in die Zeit der Kindheit der Autorin, nämlich bis ins 19. Jahrhundert. Arvola porträtiert eine schicksalsgläubige Gemeinschaft von Fischern und Bauern. Im Mittelpunkt der auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte steht eine unangepasste, selbstbewusste, eigensinnige Frau. Britta Caisa, aus deren Perspektive erzählt wird, hält gegen alle Widerstände an der Liebe zu einem verheirateten Mann fest und stellt sich somit gegen Jahrhunderte alte Traditionen und Gesetze. Der Roman ist eine Feier des einfachen und auch harten Lebens im äußersten Norden – und einer atemberaubenden Natur. Der Schnee hat einen ganz eigenen Glanz, wenn der Wind nachlässt und die Abendsterne am Nachmittagshimmel funkeln. Der Himmel erstreckt sich in alle Richtungen. Noch nie habe ich so viele Sterne auf einmal gesehen. Wie viele vor uns schauen wir zurück, in Richtung der dichten Wälder, der Seen und Flüsse, in deren Nähe wir gewohnt haben, auf Gebäude, Blaubeerwiesen und Familien, die wir hinter uns gelassen haben. Sie, die anderen, drehen sich um, als die Weite um uns herum alles Gewohnte verschluckt. Ich nicht. Ich begrüße das Neue. Das Offene und Große. Quelle: Ingeborg Arvola – Der Aufbruch Ingeborg Arvolas präzise, detailgenaue Beschreibungen machen die Landschaft und das Leben der Menschen darin sinnlich erfahrbar. Die schneebedeckten Weiten und die Schilderungen scheinbar schlichter, urtümlicher Lebenswege werden zu einem mythisch beseelten Gegenentwurf zur unerbittlichen Modernisierung der Welt. Ingeborg Arvola hat den Roman in Oslo mit Blick auf Straßen und Häuser geschrieben. Die Finnmark aber war trotzdem präsent. „Ich sitze in Oslo und sehne mich nach dieser Natur. Ein Teil von mir will immer in der Finnmark sein. Es ist die schönste Natur. Ich glaube, die Kombination aus Wissen und Sehnsucht macht das Buch aus. Wenn ich in der Finnmark leben und schreiben würde, wäre es vielleicht schrecklich. Womöglich ist die Sehnsucht also ganz wichtig.“ Wie eine Explosion In Norwegen erscheint im Herbst der Abschlussband der Eismeer-Trilogie. Für die Autorin war das Großprojekt selbst ein Aufbruch. Während sie zuvor vor allem Kinderbücher geschrieben hat, wurde sie für „Der Aufbruch“ 2022 mit dem Norwegischen Buchpreis ausgezeichnet. Damit habe sich für sie alles verändert, sagt sie: „Ich hatte früher fünf Leser, aber mit diesem Roman hatte ich in nur wenigen Monaten 50.000 Leser. Das war wie eine Explosion. Es war eine sehr seltsame und willkommene Erfahrung, denn ich schreibe seit 25 Jahren Bücher. Ich habe nie wirklich den Durchbruch geschafft, aber mir ist es trotzdem irgendwie gelungen, immer weiterzumachen. Und dann habe ich plötzlich all diese Leser, und sie sind so dankbar. Das ist eine sehr schöne Erfahrung.“ Zum großen Erfolg der Trilogie mag beigetragen haben, dass in Norwegen seit einiger Zeit offen und kritisch über die erzwungene Assimilation angestammter Minderheiten im Land diskutiert wird. Sprache und Kultur von Samen und Kvenen wurden lange Zeit rigide zurückgedrängt. Hoffnungsvoller Blick auf die Gegenwart Für Ingeborg Arvola gehören solche Erfahrungen jedoch der Vergangenheit an. Auf die Gegenwart schaut sie hoffnungsvoll: „Es wird mehr und mehr anerkannt, dass sich im Norden Norwegens drei Stämme treffen: Samen, Norweger und Kvenen. Jetzt, wo die Leute anfangen, ihre Wurzeln zu erforschen und ihre Familiengeschichte zu entdecken, stellen die Menschen aus Nordnorwegen fest: ‚Oh, wir haben auch diese finnischen Namen und diese samische Kultur und diese norwegischen Fischer in der Familie.‘ Es handelt sich also eher um ein fröhliches Wiederaufleben der Dinge. Und es gibt den politischen Willen, etwas zu tun, damit auch unsere Kultur wieder bessere Tage erlebt.“ Einzelne Wörter und kurze Passagen im Roman wurden auch in der deutschen Übersetzung in der Sprache der Kvenen belassen. Den Lesefluss stört das nicht, vielmehr verstärkt es den Eindruck einer ganz eigenen Welt, in die das Buch entführt. Ingeborg Arvola selbst ist ohne die Sprache ihrer Vorfahren aufgewachsen. Sie lernt sie jetzt. Am liebsten singt sie Lieder auf Kvenisch.…
Beim Auftakt dieser Geschichte spielt Zufall eine entscheidende Rolle. „Es begann auf dem Flughafen Kansai, am Gate von Flug KL378 nach Amsterdam." Oder ist es doch eher das Schicksal, das Jake und Mariko ihren Flug in Osaka verpassen lässt? Zwei Fremde, die in ihrer Trauer vereint sind, unwissend, dass sich ihre Verluste auf verstörende Weise spiegeln. Denn sie stellen fest: Jakes beste Freundin Lena und Marikos Zwillingsbruder Hiroji starben unter denselben geisterhaften Umständen. Die eine, eine flatterhafte ehemalige Drogenabhängige in London, der andere, ein Butoh-Tänzer in Japan. Kurz vor ihrem Ableben veränderten sie sich, wirkten ekstatisch, gefährlich – ja, beinahe von einer dämonischen Kraft besessen. Besonders mysteriös ist, „dass bei Hirojis Obduktion ein Situs inversus festgestellt wurde – alle seine inneren Organe waren seitenverkehrt angeordnet. Als Todesursache wurde plötzlicher Herztod angegeben. Wie bei Lena." Seltsame Todesfälle und eine geheimnisvolle Fotografin Noch etwas anderes verbindet die Todesfälle, die tausende Kilometer voneinander entfernt geschahen: Lena und Hiroji begegneten kurz vor ihrem Ende einer deutschen Fotografin. Eine geheimnisvolle Frau, die nicht zu altern scheint. Übernatürlich anmutende Todesfälle, eine mysteriöse Frau, deren Spur sich durch die Jahrhunderte zieht. Eine schaurige Prämisse, bei der man den Roman gar nicht weglegen mag. Und das liegt nicht nur an der an Akte-X-haften Ausgangssituation. Sondern daran, dass Susan Barker ihren Roman gekonnt konstruiert. Die Geschichte entspinnt sich auf sich abwechselnden Erzähl- und verschiedenen Zeitlinien. Die Zeugnisse der Hinterbliebenen Einerseits Jakes Ermittlungen. Als ihm klar wird, dass noch mehr Menschenleben unter ähnlich mysteriösen Umständen endeten wie Lenas und Hirojis, führen diese Jake um den halben Globus. Er sammelt Zeugenaussagen verschiedener Menschen, die ebenfalls geliebte Personen durch diese mysteriöse Frau verloren haben. Die Zeugnisse, die Jake zusammenträgt, sind das Herzstück des Romans. Barker lässt eine Vielzahl von Stimmen zu Wort kommen. Trauernde aus unterschiedlichen Zeiten, Kulturen und soziale Milieus, deren Erlebnisse sich zu einem Mosaik des Unheimlichen fügen. Tragische Lebensgeschichten aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen Die Geschichten aus Japan, Leipzig zu DDR-Zeiten, London, Budapest oder New York verbindet der Verlust und die Trauer der Hinterbliebenen. Wiederkehrend ist auch die Tragik, die nicht nur in den Todesfällen, sondern im Leben der Verstorbenen liegt. Das gelähmte Mädchen im ländlichen Wales, deren streng christlicher, kontrollierender Vater sie von der Außenwelt abschottet. Oder Ursula, mit einem Feuermal im Gesicht gezeichnet. Gefangen im politischen Kontrollsystem der DDR und gefangen in Beziehungen zu egomanischen Künstlern, die sie zum Kunstobjekt entmenschlichen. Oder Lena, als Kind von der alkoholkranken Mutter vernachlässigt, die den familiär erlernten Kreislauf aus Sucht als Erwachsene nicht entfliehen kann. Für alle Figuren markiert die Begegnung mit der rätselhaften Fotografin einen Moment der Hoffnung. Von ihr werden sie angehört. Sie verspricht eine Chance, aus den patriarchalen, unterdrückenden Systemen ausbrechen zu können. Ein Lichtblick, den das Böse zerschlägt, denn es erstickt das Progressive. Gespenstische Fotografien dokumentieren das Unheimliche Die zyklische Wiederkehr des Unheimlichen, die Unausweichlichkeit, ist in der Struktur des Romans verankert. Jede Erzählung ist ein Fragment, das sich in das größere Bild fügt. Apropos Bild: Bilder und Bildnisse spielen ihre Rolle in „Old Soul“, denn es sind gespenstische Fotos, die die Frau hinterlässt, wie im puritanischen Wales. Ceridwen in ihrem langen Nachthemd unter dem Wildapfelbaum, das seidige Haar offen über den Schultern, ihr Blick wie unter Hypnose auf die Kamera gerichtet. Der leere Rollstuhl stand hinter ihr, und obwohl sich ihre Füße auf dem Boden befanden, wirkte sie schwerelos, als schwebte sie hinauf in die Falle der Fotografin. Quelle: Susan Barker – Old Soul „Old Soul“ entfaltet sich in beklemmender Langsamkeit, präzise und unbestechlich. Bemerkenswert ist dabei die Rolle von Jake, der als Erzähler kaum in Erscheinung tritt – und das ist auch gut so. Denn nicht er steht im Mittelpunkt, sondern die Stimmen derjenigen, die zurückgeblieben sind. Diese Perspektivenvielfalt und die überzeugenden Lebenswelten in verschiedenen Zeiten und Kulturen, verleihen dem Roman eine fast dokumentarische Qualität. Ist „Fingernägelknabber-Literatur“ in? Susan Barkers „Old Soul“ ist eine literarische Gruselgeschichte, so packend, dass sie das Etikett „Fingernägelknabber-Literatur“ verdient hätte. Ist Gruseln in? Die serbisch-österreichische Autorin Barbi Marković gewann im letzten Jahr den Preis der Leipziger Buchmesse mit ihrem Kurzgeschichten-Band „Mini-Horror“ . Da erleben das Paar Miki und Mini, das Entsetzen des Alltags, absurd und komisch. „Old Soul“ dagegen changiert zwischen Schauerroman, Horrorgeschichte und Thriller. Ein spiegelverkehrter Dorian Gray Von einer dämonischen Entität erfahren wir in der zweite Erzählebene. Sie spielt im Jahr 2022, im Badlands Nationalpark Süddakota und erzählt von der gesuchten Frau, die ihr nächstes Opfer wie ein Raubtier umschleicht. Die Antagonistin ist ein spiegelverkehrter Dorian Gray. Während Oscar Wildes legendäre Romanfigur die Last der Vergänglichkeit seinem Porträt überträgt, bleibt Barkers Kreatur ein wandelndes Memento Mori. Fäulnis und Verfall kann sie nur aufhalten, wenn sie zum Zeitpunkt einer bestimmten Planetenkonstellation ein Foto oder eine Zeichnung eines ihrer Opfer erschafft. Während Dorian Grays Porträt Sünden aufbewahrt, bleibt Barkers Unsterbliche Trugbild. In ihrem langen Leben gelingt es ihr nicht, Bedeutung zu hinterlassen. Nur Verwüstung. Denn sie weiß: Die beste Methode, unsterblich zu werden, sagt die Frau, ist, nicht zu sterben. Quelle: Susan Barker – Old Soul Kunst und Vergänglichkeit als Strategie der Konservierung. Das Gespenstische ist eben mehr als bloße Erscheinung. Und da steckt der Horror von „Old Soul“: in den existenziellen Fragen der Moderne.…
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SWR Kultur lesenswert - Literatur

1 Jungs, die Könige sein wollen: Oliver Lovrenskis Roman „bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann“ 10:23
Oliver Lovrenski im Gespräch Kristine Harthauer: Du bist dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse , wahrscheinlich nicht Deine erste Buchmesse, aber Deine erste in Leipzig. Worauf freust Du Dich? Oliver Lovrenski: Ich war schon auf einigen Buchmessen mit meinem Roman, aber noch nicht in Deutschland. Ich war auch noch nicht oft in Deutschland, deswegen freue ich mich sehr, das wird schön. Leben außerhalb der Gesellschaft Kristine Harthauer: Die Leipziger Buchmesse ist bekannt dafür, dass es eine Messe für die Leser ist, es gibt mehr als 2000 Veranstaltungen und Lesungen. Die Figuren in deinem Roman hingegen sind keine Bücherwürmer. Sie heißen Marco, Jonas, Arjan und Ivor, die vier leben in Oslo, aber nicht in den schönen, reichen Stadtteilen - was sind das für Jungs, was treibt sie um? Oliver Lovrenski: Die Figuren sind sehr unterschiedlich. Marco kommt aus Somalia, Arjan aus Indien, Ivor hat kroatische Wurzeln. Sie sind mulikulturell, haben verschiedene Religionen, aber gleichzeitig fallen sie aus der Gesellschaft raus, sie leben am Rande dessen, was als normal gilt. Sie leben in dieser Welt voller Gewalt, Drogen und Kriminalität. Und was mein Buch so besonders macht, ist, dass es kein Kriminalroman oder ein Gangsterroman ist. Es geht um die Menschen, man lernt sie als Menschen kennen: Man spürt die Liebe zwischen ihnen und was sie antreibt, ihren Hunger danach, ein wertvoller Mensch zu werden, nützlich zu sein. Und natürlich geht auch ums Geld und den Status und größer und stärker zu werden. Aber eigentlich wollen die Jungs aufwachen mit dem Gefühl, gebraucht zu werden. Sie werden von Jungs zu Männern und finden heraus, was es heißt, erwachsen zu sein. König oder Mann? Kristine Harthauer: Ja, aus den Jungs werden Männer. In einer Szene treffen die Jungs auf einen Alkoholiker, der sagt zu ihnen: „Mann werden ist schöner als König werden.“ Was für Männer wollen diese Jungs sein? Oliver Lovrenski: Ich glaube, das wissen sie gar nicht. Und woher soll man das auch wissen, wenn man 16 Jahre alt ist und du von nichts eine Ahnung hast, oder? Das Zitat ist aus einem kroatischen Gedicht oder Buch, ich bin mir da nicht mehr sicher. Aber da drin steckt ein wahrer Kern, den junge Menschen hören sollten, in diesem Fall die Jungs: Es ist ein großer Unterschied, ob du ein König oder ein Mann werden willst. Und es ist viel schöner ein Mann zu werden, der Verantwortung übernimmt, ehrlich ist und integer. Ich glaube, ein paar der Jungs in meinem Buch fangen auch an, das zu verstehen, aber es dauert. Und wenn du 16 bist, wer will da nicht König sein? Eigentlich will niemand ein Mann sein, der eine Hypothek hat und Kinder und Verantwortung trägt. Alle wollen König sein, aber das geht nicht. Es geht ein paar Jahre gut und dann bricht alles auseinander. Und Könige werden ersetzt. Kurzfristiges Glück steht über allem Kristine Harthauer : Am Ende aber sagt Ivor, dass er immer noch König werden will. Er gibt das nicht auf. Dabei hat er ja andere Träume: Boxer werden oder Anwalt. Oder dass er auf einen Hof in Kroatien zieht mit Pferden und Kühen und ohne Handyempfang. Aber er entscheidet sich anders und geht den Weg als Drogendealer in den harten Stadtteilen Oslos. Wovor flieht er, warum ist dieser Weg für ihn einfacher als der „normale“? Oliver Lovrenski: Weil man für den normalen Weg kurzfristige Opfer bringen muss, um langfristig erfolgreich zu sein. Aber in dem Umfeld, in dem Ivor lebt, zählt der kurzfristige Erfolg. Und dazu kommt, dass niemand um ihn herum langfristig denkt und er sich deswegen nicht schlecht fühlen muss. Deswegen ist es wichtig, mit wem man sich umgibt, weil diese Menschen einen beeinflussen. Sie setzen die Maßstäbe. Um da rauszukommen, muss man sich mit klugen, verantwortungsvollen Menschen umgeben. Aber es ist tragisch für viele dieser Jungs, dass sie eben in diesem Umfeld bleiben, was ihnen sehr schadet. Und ich verstehe Ivor: Ich bin heute Morgen aufgewacht mit lauter verpassten Anrufen von meiner Agentin und meinem Verlag und ich dachte mir, oh mein Gott, warum nehme ich nicht einfach das Geld von meinem Buch und ziehe auf eine Farm in Kroatien und werfe mein Handy weg? Dieser Wunsch, vor der Verantwortung zu fliehen, kommt und geht bei mir, aber er ist immer da. Ich habe mich für dieses Leben entschieden und werde nicht weglaufen. Kristine Harthauer: Du gehst den langen Weg. Oliver Lovrenski: Genau, der langfristige Weg zahlt sich mehr aus, aber man muss akzeptieren, dass so das Leben ist und es immer wehtut. Ich kenne so viele Leute, die sich für den schnellen Erfolg entschieden haben. Sie genießen ein paar gute Jahre und für den Rest ihres Lebens sind sie aber gebrochen. Die harten Seiten Oslos Kristine Harthauer: Du bist in Oslo nicht im selben Umfeld wie Deine Figuren aufgewachsen, aber Du kennst Leute aus dieser Gegend. Wo hast Du Deine Romanfiguren gefunden? Oliver Lovrenski: Die Figuren sind alle fiktiv, aber ich kenne dieses Umfeld aus meiner Jugend und aus der Schulzeit. Um mich herum war das immer präsent, der Alkohol- Drogenmissbrauch, Gefängnisse und die Gewalt, mich hat das nicht betroffen, aber die Menschen um mich herum. Freundschaft steht über der Familie Kristine Harthauer: Die Freundschaft zwischen den vier Jungs steht über der Familie. Gibt es diese Art von Freundschaft nur, wenn man in so instabilen Verhältnissen wie Ivor und seine Freunde aufwächst? Oder ist dieser Art von Freundschaft universell? Oliver Lovrenski: Ich glaube, diese Art von Freundschaft existiert eigentlich nicht, für niemanden. Diese Freundschaft ist der Teil im Buch, den ich am meisten glorifiziere oder romantisiere. Sie ist zwar nicht perfekt, aber Menschen sind nie so loyal oder so gut. Und ich würde sagen, in diesen, wie Du sagtest, instabilen Verhältnissen, betrügen sich die Menschen mehr als woanders. Du kannst dort deinen Freunden weniger vertrauen und es steht viel mehr auf dem Spiel. Den Menschen geht es viel schlechter und sie sind viel verzweifelter. Deswegen spiegelt die Freundschaft im Buch nicht wirklich die Realität wider. Es ist eher so, als würde man die besten Seiten rauspicken. Kristine Harthauer : Was ist mit Oslo? Ist es so schlimm wie Du es in Deinem Buch beschreibst? Oliver Lovrenski: Diese Gegend, die von Drogen und Kriminalität durchzogen ist, ist so wie ich es in meinem Buch beschreibe. Und es ist gerade sogar schlimmer, denn ich habe das Buch vor ein paar Jahren angefangen zu schreiben. Diese Gegend ist nur ein Teil von Oslo. Was darin passiert, betrifft die Leute außerhalb dieser Gegend nicht, oder zumindest noch nicht - aber das kann sich ändern, denn die Lage wird schlimmer. Wenn man als junger Mensch in bestimmen Teilen Oslos aufwächst, ist es schwer, sich davon nicht beeinflussen zu lassen, weil es Teil der Jugendkultur ist. Aber Oslo ist eine sichere Stadt, es ist nicht wie in Schweden. Aber in den letzten 10, 20 Jahren hat sich etwas bei den jungen Leuten verändert. Sehnsucht nach einem Bauernhofleben Kristine Harthauer: Oliver, wie hast Du mit dem Schreiben angefangen? Oliver Lovrenski: Es ist einfach passiert, ich habe einfach angefangen über Dinge zu schreiben, die ich erlebe. Und dann habe ich verstanden, dass das ein Buch werden könnte. Ich habe als Kind sehr viel gelesen und weiß, welche Kraft Bücher haben. Und in Norwegen hatte niemand bisher über dieses Umfeld geschrieben. Ich habe gedacht, dann mache ich das halt, weil ich die Sprache kenne und die Gefühle und weiß, was dort passiert. Ich war 17, 18 als ich mit dem Schreiben angefangen habe und es war nicht so, dass ich mir wirkliche viele Wege offenstanden. Und es hat schließlich geklappt. Ich habe zwei Jahre für das Buch gebraucht und nachdem es erschienen ist, war ich müde vom Schreiben und habe gesagt, dass ich damit aufhöre. Aber ich mag es, zu schreiben und mache erst mal weiter. Nur nach dem nächsten Buch werfe ich wahrscheinlich mein Handy weg und ziehe doch auf eine Farm. Ich liebe es, zu schreiben, aber ich liebe es auch, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich liebe es, dass ich die Möglichkeit habe, all das zu tun, es ist ein bisschen verrückt. Aber das ist nichts für mich. Ich werde andere Entscheidungen treffen, um etwas mehr Ruhe zu bekommen. Ich lese gern und packe mir viele Bücher ein und schalte das Internet aus. Und es wird immer noch okay sein. Kristine Harthauer: Auf einer Farm kannst Du trotzdem weiterschreiben. Oliver Lovrenski: Das stimmt schon und es geht sogar besser, das ist toll, eigentlich will ich auch nicht anderes machen.…
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SWR Kultur lesenswert - Literatur

1 Literatur entdecken: Neue Stimmen, große Romane und bewegende Geschichten von Patrick Modiano, Jonathan Lethem, Kjersti Anfinnsen u.a. 54:59
Neue Bücher von Patrick Modiano, Jonathan Lethem, Annett Gröschner und Kjersti Anfinnsen
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