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Podcast #1 – Was geht uns die Digitalisierung an?

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Ein Podcast von ze.tt und Deloitte

Podcast Deloitte – Wie begegnen wir der Zukunft Episode 1: Digitalisierung Protagonist: Nicolai Andersen

Wie begegnen wir der Zukunft – 2. Was geht uns das an?

Die Welt ist im Umbruch: Alle sprechen nur von Digitalisierung und Globalisierung. Schreckgespenste wie Big Data, Algorithmen und Künstliche Intelligenz geistern umher und machen unser aller Leben ein bisschen komplizierter. Auch wenn es keiner wirklich zugeben will.

Doch was ist dran an der ganzen Panik? Wie wandelt sich unsere Welt tatsächlich? Welche Probleme müssen wir in Zukunft angehen? Welche Chancen haben wir, wenn wir es richtig angehen? Und was hat das alles eigentlich mit unseren alltäglichen Leben zu tun? Was geht uns das an?

Hi, ich bin Mae von ze.tt und in der ersten Folge des Podcasts “Wie begegnen wir der Zukunft” spreche ich mit Nicolai Andersen. Er leitet den Bereich Innovation bei Deloitte in Hamburg und ist unter anderem verantwortlich für die sogenannte Deloitte Garage, ein Start-up-Hub, in dem neue in Geschäftsmodelle designt, entwickelt und inkubiert werden. Nicolai Andersen verrät mir, welche großen Herausforderungen auf uns warten. Und wie wir uns nicht nur auf die Veränderungen, die uns bevorstehen, einstellen, sondern den Wandel ganz bewusst mitgestalten können.

Mae: Hallo, Nikolai.

Nikolai: Hallo, Mae.

Mae: Alle Welt redet ja von der Digitalisierung, aber müssen wir uns eigentlich wirklich digitalisieren?

Nikolai: Das ist gar keine Frage, wir müssen uns auf jeden Fall digitalisieren, weil wir sonst digitalisiert werden. Die Welt wird sich digitalisieren und wenn wir in Deutschland da nicht mitmachen, wir als Gesellschaft nicht mitmachen, ergeben sich riesige Herausforderungen. Ich sehe aber auch durchaus Chancen in der Digitalisierung. Digitalisierung ist ein Innovationsmotor, wird es in Zukunft sein; wir müssen da mitmachen, um die Volkswirtschaft voranzubringen, Unternehmen brauchen Digitalisierung, um neue Produkte zu entwickeln. Und die Gesellschaft kann die Chancen nutzen, sich daran weiterzuentwickeln, solange wir auch die Herausforderungen im Blick haben.

Mae: Was für Herausforderungen siehst du denn ganz konkret für die Zukunft, also worauf muss ich mich einstellen?

Nikolai: Was vordergründig und natürlich auch sehr präsent in der Diskussion gerade ist: Was passiert mit den Arbeitsplätzen? Digitalisierung bringt Automatisierung ganz stark mit sich, wir sprechen von Robotics, künstlicher Intelligenz. Da werden bestimmte Tätigkeiten, die ich heute manuell mache, übernommen werden von Maschinen, und das sind sowohl handwerkliche Tätigkeiten, die dann eher ein Roboter übernimmt, als auch durchaus akademische Tätigkeiten, die dann eben die künstliche Intelligenz übernehmen wird, und entsprechend ist durchaus das Risiko da, dass im großen Stile Arbeitsplätze verloren gehen, zumindest Tätigkeiten verloren gehen. Insofern ist eine Herausforderung für uns jetzt, in der Digitalisierung zu schauen, wie wir es schaffen, andere Arbeitsplätze zu schaffen und Chancen zu nutzen, wenn bestimmte Tätigkeiten an Maschinen gehen. Gleichzeitig ist es aber durchaus auch so, dass wir eine gesellschaftliche Spaltung möglicherweise als Risiko sehen, wenn wir eben bestimmte Gewinner der Digitalisierung haben, die sich über Informationen versorgen, die es im Netz gibt und andere kommen nicht mehr mit, wissen nicht, was Informationen sind. Auch da müssen wir aufpassen, dass die Gesellschaft gleichermaßen vorangetrieben wird.

Mae: Kannst du vielleicht uns noch ein Beispiel nennen wo Digitalisierung zum Beispiel die Arbeitswelt verändert?

Nikolai: In der Robotik kann man sich das einfach vorstellen, weil wir das schon seit Jahrzehnten kennen, dass klassische manuelle Tätigkeiten immer mehr von den mechanischen Robotern übernommen werden. Also heute werden im Automobilbau keine Schweißpunkte mehr gesetzt durch einen Menschen. Das macht ein Roboter, weil er es präziser machen kann, schneller machen kann, einfacher machen kann. Wir sehen in der Robotik jetzt, was manuelle Fertigkeiten angeht, immer mehr Feinheiten, die ein Roboter übernehmen kann; [er] kann sich immer mehr bewegen wie ein Mensch, insofern kann man sich dann jetzt auch vorstellen – und es passiert dann auch –, dass man auch in der Pflege dann einen Roboter einsetzt, rein mechanisch erstmal zum Beispiel zum Wenden eines Patienten im Bett, wo ich sagen kann: Das ist eine Tätigkeit, die macht heute ein Krankenpfleger, ist vielleicht auch keine schöne Tätigkeit, ist auch eine gesundheitsschädigende Tätigkeit, da kann ein Roboter eingesetzt werden, sofern ist das durchaus auch eine Chance, wenn die Digitalisierung oder Roboter auch mal Aufgaben übernimmt, die ich gar nicht mal so unbedingt machen möchte. Wenn man sich die künstliche Intelligenz wieder anschaut, bestimmte eher repetitive Tätigkeiten, wo es darum geht, Routinen abzuarbeiten, kann eine Maschine, also ein Computer, heute schon deutlich besser als ein Mensch große Mengen von Regeln abarbeiten, große Mengen von Daten verarbeiten. Da kann ein Computer den Menschen unterstützen und teilweise auch Tätigkeiten übernehmen – durchaus auch in unserer eigenen Branche. Wir haben ja Rechtsberater, Steuerberater, die große Mengen an Gesetzestexten auswerten müssen, damit umgehen müssen. Da kann man auch die Frage stellen: Wann kann die Maschine das vielleicht ein bisschen besser als der Mensch?

Mae: Da hast du dich ja sehr stark auf unternehmensspezifische Fragestellungen fokussiert, aber der Wandel vollzieht sich ja nicht nur unternehmensintern, sondern ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der uns alle angeht und der auch viele soziale Fragen aufwerfen wird. Haben Unternehmen hier auch eine ethische Verantwortung, diesen Wandel mitzugestalten?

Nikolai: Absolut, als Unternehmer hat man da wichtige Verantwortungen in verschiedene Dimensionen hinein.

Wenn ich auf die eigenen Mitarbeiter schaue – wir haben gerade darüber gesprochen, wie bestimmte Arbeitsprofile sich verschieben werden – hat ein Unternehmen auch für mich die Verantwortung, dazu beizutragen, dass es Requalifikationen gibt, dass die eigenen Mitarbeiter weiterqualifiziert werden, bestimmte Dinge in der Digitalisierung lernen, dass sich die Tätigkeiten verschieben können, ohne dass ich meinen Arbeitsplatz komplett verliere. Das ist so die Innensicht des Unternehmens. Nach außen in die Gesellschaft, in die Volkswirtschaft, sehe ich auch eine Verantwortung von Unternehmen: Wir gucken ja gerne mal oder zeigen mit dem Zeigefinger in Richtung der Regierung, des Gesetzgebers, dass er alles lösen muss. Wenn wir über Bildung sprechen zum Beispiel, bin ich mir nicht sicher, ob das fair ist, ob man das wirklich verlangen kann, dass die Lehrer heute das, was in der Digitalisierung passiert, direkt verstehen und vermitteln können; ob ich verlangen kann, dass Kultusminister einen Lehrplan aufbauen, der der Digitalisierung standhält, der Geschwindigkeit standhält oder ob da nicht auch Unternehmen gefragt sind, zu sagen, wir unterstützen dabei, diesen Bildungsauftrag wahrzunehmen.

Mae: Du meinst also, große Unternehmen wie Deloitte zum Beispiel haben da ein bestimmtes Know-how, das sie auch anzapfen müssen, um diesen Wandel mitzugestalten?

[06:28 – 07:09] Nikolai: Sehe ich absolut so, genau, also wir haben ein Know-how, Technologieunternehmen haben ein Know-how, Versandhändler haben ein Know-how. Das alles zusammen, wenn man das zusammenbringen würde, könnte man die Auswirkungen der Digitalisierung auch leicht verständlich erklären. Ich glaube, das ist auch eine Herausforderung, zu sagen: Ich nehme die Menschen so mit, dass sie verstehen, was da eigentlich passiert. Und dieses Wissen, was da gerade passiert, in der Technologie, auch in der Auswirkung von Technologie auf menschliches Verhalten, würde ich behaupten, das sehen Unternehmen schneller und leichter, als das vielleicht der Gesetzgeber so schnell kann oder eben ein Lehrer an der Grundschule so schnell kann. Und deswegen ist die Verantwortung für uns Unternehmen, den Menschen, die es auch weitervermitteln müssen, das erstmal zu vermitteln.

Mae: Meinst du, dass Deloitte hier auch ganz konkret Einfluss nehmen kann auf die Entscheidungen von großen Unternehmen?

Nikolai: Ja, sehe ich absolut so. Also, direkten und vor allem indirekten Einfluss nehmen. Wir haben aufgrund unserer Tätigkeiten wahnsinnig viele Beziehungen zu ganz, ganz vielen Unternehmen, zur öffentlichen Hand, zu gesellschaftlichen Gruppen. Da Netzwerke zu knüpfen, Menschen zusammenzubringen, um über bestimmte Dinge zu reden, sehe ich als einen Bereich, wo wir Einfluss nehmen können. Wir selber haben auch einen Übersetzungsauftrag für Unternehmen. Wenn ich in einem Unternehmen tätig bin in einem bestimmten Bereich, sehe ich vielleicht auch nicht alles, was auf der Welt passiert, auch da haben wir als Unternehmensberatung durchaus die Möglichkeit, zu erklären, was passiert, Dinge verständlicher zu machen und Integrationen aufzuzeigen, Chancen aufzuzeigen, Risiken aufzuzeigen. Und insofern, wenn wir das gut machen, nehmen wir dann Einfluss, dass die Unternehmen die richtige Entscheidung treffen.

Mae: Das ist mir jetzt, mit Verlaub gesagt, ein bisschen kryptisch, ehrlich gesagt. Gibt es denn etwas ganz Konkretes, ganz Handfestes, was Deloitte da tut?

Nikolai: So ganz handfest auf der Tool-Seite haben wir gerade bei uns ein Tool entwickelt, das nennen wir Gnosis, das nutzt künstliche Intelligenz, also Algorithmen, um aus großen Datenmengen, die irgendwo in der Welt unterwegs sind, bestimmte Erkenntnisse zu ziehen. Konkret geht es darum, Daten, Informationsquellen aus Zeitungen, aus Patentanmeldungen, aus sonstigen Meldungen, darauf zu analysieren, ob bestimmte Trends bestimmte Entwicklungen nehmen. Wenn ich jetzt sage – künstliche Intelligenz einfach mal als den Trend selber genommen –, ich will wissen: Was ist in China eigentlich los, was passiert in Afrika, was passiert in den USA? Kann ich mir als Unternehmen das unmöglich alles anschauen, und Gnosis ist ein Tool, das automatisch die Informationen archiviert und sagt, pass mal auf, in dieser Sonderdisziplin der künstlichen Intelligenz hat sich in China gerade das und das ereignet und in Brasilien ist das und das passiert, deswegen glauben wir, dass der Trend sich hier weiterentwickeln wird und du als Unternehmen wirst davon betroffen sein, also handle jetzt und gehe damit um. So ein Tool stellen wir Unternehmen zur Verfügung und ermöglichen dann, bessere Entscheidungen zu treffen.

Mae: Also ich habe, ehrlich gesagt, von so einem Tool noch nie gehört. Das klingt, als könnte man damit echt schon gut in die Zukunft blicken, also zumindest Entwicklungen antizipieren und dann halt Prognosen treffen. Wie seid ihr denn auf so ein Tool gekommen, also wie seid ihr auf Gnosis gekommen?

Nikolai: Vielleicht, indem ich dir ganz kurz widerspreche, eben, weil wir nicht in die Zukunft gucken können, sind wir auf die Idee Gnosis gekommen. Also, kein Mensch kann in die Zukunft gucken. Man hat aber immer so die Tendenz, naja, kriege ich schon irgendwie hin. Ich versuche fünf Jahre, zehn Jahre vorauszusagen und so wird es wohl sein. Ein typisches Unternehmen versucht fünf Jahre, zehn Jahre in die Zukunft zu planen, aber es ist eigentlich illusorisch das zu können, wenn man sich mal zurückdreht und guckt, was ist vor zehn Jahren passiert oder diese magische Zeitgrenze als das iPhone gestartet wurde 2007. Das ist ein offensichtlicher Wendepunkt auch in der Digitalisierung gewesen. 2006 hätten wir uns nicht vorstellen können, wie die Welt 2016 aussieht. Und das Gleiche haben wir natürlich heute auch. Wir können die Zukunft nicht voraussagen, wir können uns aber natürlich überlegen, wenn bestimmte Dinge in der Welt passieren würden, was würden sie für mich bedeuten? Und die Idee mit Gnosis ist eben genau das zu tun und zu sagen, es gibt hunderte von Trends auf der Welt und wir können nicht genau sagen, wie sie sich entwickeln, wir können aber quasi gedanklich simulieren, wenn das und das passieren würde, wie würde es sich auf ein Unternehmen auswirken? Das sind Prozesse, die können nur Menschen miteinander diskutieren und diese Szenarien sich überlegen, wie kann die Zukunft aussehen? Aber dann zu schauen, ob die Trends sich tatsächlich in die bestimmte Richtung entwickeln oder in eine ganz andere Richtung entwickeln, das kann dann ein Tool.

Vielleicht mal ein ganz simples Beispiel. Eine ganz große Frage dabei ist: Was passiert mit Globalisierung? Noch vor wenigen Jahren, bevor in den USA Trump zum Präsidenten gewählt wurde, hätte jeder Mensch gesagt, naja, die Globalisierung wird unbedingt weitertreiben. Jetzt hat sich die Welt komplett gedreht und wir sehen eher Nationalismus, Protektionismus hochkommen. Diese Art Trends gibt es ganz, ganz viele, wo man sich das nicht vorstellen kann. Wenn man sich mal überlegt, es könnte sich eine extrem, total globalisierte Welt zu einer total protektionistischen Welt entwickeln, da habe ich ganz unterschiedliche Zukunften, und die muss ich mir anschauen und analysieren.

Mae: Gnosis ist also eher ein Szenarientool?

Nikolai: Genau, also die Szenarien werden, wie gesagt, von Menschen entwickelt, aber diese Szenarien zu überwachen in Anführungsstrichen, zu gucken, was passiert denn da überall auf der Welt, was ein Szenario sein könnte, was ich vielleicht in Deutschland gar nicht so direkt in der Zeitung lese – das tut Gnosis.

Mae: Jetzt ist ja Gnosis eins von vielen Innovationsprojekten bei Deloitte. Sitzen bei Deloitte tatsächlich nur Kreative?

Nikolai: Ne, gar nicht, wäre auch nicht gut , weil, also ich sag mal, bei Innovationen braucht es vielleicht zehn Prozent Kreativität, aber eigentlich neunzig Prozent Disziplin. Kreativität ist sehr gut, brauch ich, aber um Innovation zum Erfolg zu bringen, also von einer Idee zu einem wirklichen marktfähigen erfolgreichen Produkt zu kommen, brauche ich deutlich mehr als einfach nur kreative Ideen. Geht schon los bei der Idee selber: Der Kreative allein kommt nicht auf die Idee, er muss verstehen, was eigentlich derjenige, der das Produkt irgendwann mal kaufen will, was der vielleicht braucht, muss verstehen, wie sich die Welt entwickelt. Was wird gerade in der Welt gebraucht? Daraus leite ich vielleicht kreativ eine Idee ab. Und dann so eine Idee in etwas zu bringen, was ein Produkt ist, das Menschen kaufen, zahlen und was sich lohnt, auch dafür brauche ich viel Disziplin, um so einen Prozess dann durchzuschleusen.

Nikolai: Um das insgesamt zu bewerkstelligen brauchst du eine entsprechende Innovationskultur und da haben wir sehr, sehr stark dran gearbeitet und tun das weiterhin jeden Tag, dass wir diese Innovationskultur bei Deloitte haben. Und eben dieses Verständnis, ich bringe Kreativität zusammen mit Disziplin. Ich bringe ganz viele Perspektiven zusammen, dann entsteht da großartige Innovation. Und das geht bei uns so los, schon im Recruitingprozess, wenn wir mit jungen Talenten sprechen, reden wir darüber, was Deloitte für Innovationen macht. Und wir nutzen auch durchaus die Kreativität von Studierenden, um Innovation bei uns zu betreiben. Ein Beispiel: Eine unserer größten Innovationen der letzten Jahre ist das Deloitte-Neuroscience-Institut, wo wir die Erkenntnisse, die heute in Neurowissenschaften entstehen und die Technologie, die sich da entwickelt hat, nutzbar machen, um unseren Kunden bei Entscheidungsunterstützung zu helfen. Wenn wir heute Entscheidungen treffen, als Menschen tun wir vieles bewusst, aber noch viel, viel, viel mehr unbewusst. Deswegen treffen wir manchmal diese irrationalen Entscheidungen. Und über Neurowissenschaften kann ich das sichtbar machen, wie Emotionen eines Menschen sind, warum er bestimmte Entscheidungen trifft. Diese Idee kam von Studierenden, die gar nicht bei Deloitte gearbeitet haben zu dem Zeitpunkt, sondern eben aus einem Kreativprozess, den sie an einer Uni in München gemacht haben. Und diese Kultur, zu sagen, wir nehmen Ideen von Studierenden zu uns und paaren sie dann mit den Fähigkeiten, die wir selber haben, das war quasi der zweite Schritt. Deswegen erzählen wir auch den eigenen Kollegen vom ersten Arbeitstag, also von den sogenannten Welcome-Days in Düsseldorf, erzählen wir jeden Monat, wenn die Neuen dastehen, wir müssen innovieren. Und Innovation ist eben nicht nur für die Kreativen, sondern auch für jeden von euch. Und so entstehen dann auch noch anderen Innovationen und wir appellieren daran, Mensch, hast ‘ne Idee, du kannst auch was daraus machen. Du kannst vielleicht dein eigenes Unternehmen im Unternehmen gründen.

Anderes Beispiel: Eine Kollegin von uns macht Personalberatung und hat wie jeder Berater viele Powerpoint-Präsentationen gemacht und hatte ein Talent darin, gut zu gestalten. Da haben die Kollegen immer gesagt: „Kannst du mir nicht noch mal meine Präsentation schön machen?“ Und irgendwann hat die Dani gesagt: „Das ist doch eigentlich langweilig mit Powerpoint-Präsentationen, ich mach‘ dir mal ein Filmchen.“ Hat den ersten Film gemacht, hat das der erste gesehen, fand das super: „Ich hätte auch gern‘ einen Film.“ Dann entstanden immer mehr Filme und irgendwann kam Dani dann eben zu mir und sagte: „Ich glaube, da ist ein Geschäftsmodell für Deloitte, wenn wir Filme machen würden, wenn wir in die Filmbranche einsteigen würden zu Kommunikations- und Werbezwecken, wäre das nicht was? Weil wir verstehen doch die Welt unserer Kunden, wir sind kreativ, wir können Talente anlocken, lass uns das machen.“ Das ist auch so ein Beispiel von Innovation von Deloitte, wo wir eben einer Mitarbeiterin von uns die Chance gegeben haben, ihr Thema aufzubauen.

Mae: Ich hätte jetzt so viele verschiedene Leute bei Deloitte überhaupt nicht erwartet, als Außenstehende. Mal spitz gefragt: Ist Deloitte so ein safe haven für alle Leute, die in ihrem eigentlichen Beruf gescheitert sind oder die auf ihren eigenen Beruf keine Lust mehr hatten? Also gibt Deloitte gerne zweite Chancen?

Nikolai: Also solange das jetzt nicht eine negative Konnotation bekommt, würde ich das auf jeden Fall unterschreiben. Wir geben auch gerne zweite Chancen. Nicht jeder ist auf dem zweiten Bildungsweg bei uns, sondern viele kommen natürlich auch auf dem klassischen Weg, haben studiert und haben einen Abschluss gemacht in unterschiedlichen Disziplinen und landen dann bei uns. Aber wir haben auch die sogenannten Exoten bei uns, die entweder etwas ganz anderes studiert haben, als was man vielleicht so erwartet. Wir haben gerade von Dani und ihren Designstudios gehört. Wir haben jetzt Motion-Designer bei uns, Sound-Designer bei uns, würde man wahrscheinlich bei einer Prüfungs- und Beratungswirtschaft so nicht erwarten. Die kommen teilweise tatsächlich direkt von der Uni, von der Ausbildungsstätte zu uns, teilweise tatsächlich aber eben aus ihren anderen Berufen, wo sie sagen: „Hm, ich kann meine Talente in dem Beruf, in dem ich heute bin, eigentlich so gar nicht nutzen und Deloitte bietet solche Themen an. Wow, wenn ich jetzt das, was ich kann, kombiniere mit dem, was da andere bei Deloitte können, dann entsteht da was Großartiges“. Und deswegen ist das tatsächlich ein safe haven, das glaube ich schon, safe haven dahingehend, dass wir ein großes Unternehmen sind, was Stabilität geben kann, die nötige Struktur auch manchmal geben kann, wir haben ja gerade von Innovationsdisziplin gesprochen und aber auch trotzdem wahnsinnige Freiheiten geben kann, sich da so zu entfalten, und da entstehen tolle Sachen dann.

Nikolai: Als ich damals angefangen habe, ich bin Wirtschaftsingenieur, war ich einer der Exoten bei Deloitte. Also es gab halt die Betriebswirte, vielleicht ein paar Volkswirte, ein Informatiker war schon echt wahnsinnig weit weg und das war exotisch. Heutzutage sind diese Exoten, Wirtschaftsingenieure, Wirtschaftsinformatiker, Informatiker überhaupt, keine Exoten mehr. Dafür sind andere Leute dann die Exoten bei uns, wo wahrscheinlich in fünf oder zehn Jahren völlig normal wird, dass wir die haben. Beispiel Neurowissenschaftler, die wir jetzt eingestellt haben. Hätte man vor fünf Jahren sich nicht vorstellen können, dass wir Neurowissenschaftler haben. Jetzt haben wir ein paar, die sind sehr exotisch, wir müssen sehr aufpassen auf sie, dass sie sich bei uns wohlfühlen, dass sie auch nicht kaputt gehen in den Regeln und Prozessen einer Firma. Aber die Firma ist dann auch der safe haven, der ermöglicht, dass so etwas dann zur Normalität wird. Wer weiß, was in fünf bis zehn Jahren unsere Exoten sein werden.

Mae: Zum Schluss würde ich gern noch von dir als Innovationsexperte wissen, was du für die bekloppteste Idee der letzten Jahre hältst.

Nikolai: Die bekloppteste Innovation der letzten Jahre sieht man jetzt gerade die Städte überschwemmen. Das sind diese E-Roller. Warum ist das bekloppt? Das sind Dinger, auf denen ich relativ unbequem mich nur relativ kurze Strecken bewegen kann. Das geht normal ein Mensch eigentlich zu Fuß oder fährt Fahrrad. Außerdem haben die Leute vergessen, dass sie sich einen Helm aufsetzen sollen. Die werden, glaube ich, in kürzester Zeit ganz viele Leute sehen, die sich richtig auf die Fresse packen und entsprechend ist dann der Spaß weg. Der Spaß ist auch dann weg, wenn es mal richtig anfängt zu regnen und im Winter zu schneien. Ich habe noch nicht verstanden, wie das Geschäftsmodell funktionieren soll, denn pro Minute oder pro Kilometer müssen die Kosten extrem hoch werden, wenn im Winter keiner mehr fährt und abends immer irgendwelche Leute die Dinger einsammeln müssen, um sie wieder aufzuladen. Das wird sich nicht lang durchsetzen.

Mae: Ich danke dir fürs Gespräch.

Nikolai: Sehr gerne.

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Ein Podcast von ze.tt und Deloitte

Podcast Deloitte – Wie begegnen wir der Zukunft Episode 1: Digitalisierung Protagonist: Nicolai Andersen

Wie begegnen wir der Zukunft – 2. Was geht uns das an?

Die Welt ist im Umbruch: Alle sprechen nur von Digitalisierung und Globalisierung. Schreckgespenste wie Big Data, Algorithmen und Künstliche Intelligenz geistern umher und machen unser aller Leben ein bisschen komplizierter. Auch wenn es keiner wirklich zugeben will.

Doch was ist dran an der ganzen Panik? Wie wandelt sich unsere Welt tatsächlich? Welche Probleme müssen wir in Zukunft angehen? Welche Chancen haben wir, wenn wir es richtig angehen? Und was hat das alles eigentlich mit unseren alltäglichen Leben zu tun? Was geht uns das an?

Hi, ich bin Mae von ze.tt und in der ersten Folge des Podcasts “Wie begegnen wir der Zukunft” spreche ich mit Nicolai Andersen. Er leitet den Bereich Innovation bei Deloitte in Hamburg und ist unter anderem verantwortlich für die sogenannte Deloitte Garage, ein Start-up-Hub, in dem neue in Geschäftsmodelle designt, entwickelt und inkubiert werden. Nicolai Andersen verrät mir, welche großen Herausforderungen auf uns warten. Und wie wir uns nicht nur auf die Veränderungen, die uns bevorstehen, einstellen, sondern den Wandel ganz bewusst mitgestalten können.

Mae: Hallo, Nikolai.

Nikolai: Hallo, Mae.

Mae: Alle Welt redet ja von der Digitalisierung, aber müssen wir uns eigentlich wirklich digitalisieren?

Nikolai: Das ist gar keine Frage, wir müssen uns auf jeden Fall digitalisieren, weil wir sonst digitalisiert werden. Die Welt wird sich digitalisieren und wenn wir in Deutschland da nicht mitmachen, wir als Gesellschaft nicht mitmachen, ergeben sich riesige Herausforderungen. Ich sehe aber auch durchaus Chancen in der Digitalisierung. Digitalisierung ist ein Innovationsmotor, wird es in Zukunft sein; wir müssen da mitmachen, um die Volkswirtschaft voranzubringen, Unternehmen brauchen Digitalisierung, um neue Produkte zu entwickeln. Und die Gesellschaft kann die Chancen nutzen, sich daran weiterzuentwickeln, solange wir auch die Herausforderungen im Blick haben.

Mae: Was für Herausforderungen siehst du denn ganz konkret für die Zukunft, also worauf muss ich mich einstellen?

Nikolai: Was vordergründig und natürlich auch sehr präsent in der Diskussion gerade ist: Was passiert mit den Arbeitsplätzen? Digitalisierung bringt Automatisierung ganz stark mit sich, wir sprechen von Robotics, künstlicher Intelligenz. Da werden bestimmte Tätigkeiten, die ich heute manuell mache, übernommen werden von Maschinen, und das sind sowohl handwerkliche Tätigkeiten, die dann eher ein Roboter übernimmt, als auch durchaus akademische Tätigkeiten, die dann eben die künstliche Intelligenz übernehmen wird, und entsprechend ist durchaus das Risiko da, dass im großen Stile Arbeitsplätze verloren gehen, zumindest Tätigkeiten verloren gehen. Insofern ist eine Herausforderung für uns jetzt, in der Digitalisierung zu schauen, wie wir es schaffen, andere Arbeitsplätze zu schaffen und Chancen zu nutzen, wenn bestimmte Tätigkeiten an Maschinen gehen. Gleichzeitig ist es aber durchaus auch so, dass wir eine gesellschaftliche Spaltung möglicherweise als Risiko sehen, wenn wir eben bestimmte Gewinner der Digitalisierung haben, die sich über Informationen versorgen, die es im Netz gibt und andere kommen nicht mehr mit, wissen nicht, was Informationen sind. Auch da müssen wir aufpassen, dass die Gesellschaft gleichermaßen vorangetrieben wird.

Mae: Kannst du vielleicht uns noch ein Beispiel nennen wo Digitalisierung zum Beispiel die Arbeitswelt verändert?

Nikolai: In der Robotik kann man sich das einfach vorstellen, weil wir das schon seit Jahrzehnten kennen, dass klassische manuelle Tätigkeiten immer mehr von den mechanischen Robotern übernommen werden. Also heute werden im Automobilbau keine Schweißpunkte mehr gesetzt durch einen Menschen. Das macht ein Roboter, weil er es präziser machen kann, schneller machen kann, einfacher machen kann. Wir sehen in der Robotik jetzt, was manuelle Fertigkeiten angeht, immer mehr Feinheiten, die ein Roboter übernehmen kann; [er] kann sich immer mehr bewegen wie ein Mensch, insofern kann man sich dann jetzt auch vorstellen – und es passiert dann auch –, dass man auch in der Pflege dann einen Roboter einsetzt, rein mechanisch erstmal zum Beispiel zum Wenden eines Patienten im Bett, wo ich sagen kann: Das ist eine Tätigkeit, die macht heute ein Krankenpfleger, ist vielleicht auch keine schöne Tätigkeit, ist auch eine gesundheitsschädigende Tätigkeit, da kann ein Roboter eingesetzt werden, sofern ist das durchaus auch eine Chance, wenn die Digitalisierung oder Roboter auch mal Aufgaben übernimmt, die ich gar nicht mal so unbedingt machen möchte. Wenn man sich die künstliche Intelligenz wieder anschaut, bestimmte eher repetitive Tätigkeiten, wo es darum geht, Routinen abzuarbeiten, kann eine Maschine, also ein Computer, heute schon deutlich besser als ein Mensch große Mengen von Regeln abarbeiten, große Mengen von Daten verarbeiten. Da kann ein Computer den Menschen unterstützen und teilweise auch Tätigkeiten übernehmen – durchaus auch in unserer eigenen Branche. Wir haben ja Rechtsberater, Steuerberater, die große Mengen an Gesetzestexten auswerten müssen, damit umgehen müssen. Da kann man auch die Frage stellen: Wann kann die Maschine das vielleicht ein bisschen besser als der Mensch?

Mae: Da hast du dich ja sehr stark auf unternehmensspezifische Fragestellungen fokussiert, aber der Wandel vollzieht sich ja nicht nur unternehmensintern, sondern ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der uns alle angeht und der auch viele soziale Fragen aufwerfen wird. Haben Unternehmen hier auch eine ethische Verantwortung, diesen Wandel mitzugestalten?

Nikolai: Absolut, als Unternehmer hat man da wichtige Verantwortungen in verschiedene Dimensionen hinein.

Wenn ich auf die eigenen Mitarbeiter schaue – wir haben gerade darüber gesprochen, wie bestimmte Arbeitsprofile sich verschieben werden – hat ein Unternehmen auch für mich die Verantwortung, dazu beizutragen, dass es Requalifikationen gibt, dass die eigenen Mitarbeiter weiterqualifiziert werden, bestimmte Dinge in der Digitalisierung lernen, dass sich die Tätigkeiten verschieben können, ohne dass ich meinen Arbeitsplatz komplett verliere. Das ist so die Innensicht des Unternehmens. Nach außen in die Gesellschaft, in die Volkswirtschaft, sehe ich auch eine Verantwortung von Unternehmen: Wir gucken ja gerne mal oder zeigen mit dem Zeigefinger in Richtung der Regierung, des Gesetzgebers, dass er alles lösen muss. Wenn wir über Bildung sprechen zum Beispiel, bin ich mir nicht sicher, ob das fair ist, ob man das wirklich verlangen kann, dass die Lehrer heute das, was in der Digitalisierung passiert, direkt verstehen und vermitteln können; ob ich verlangen kann, dass Kultusminister einen Lehrplan aufbauen, der der Digitalisierung standhält, der Geschwindigkeit standhält oder ob da nicht auch Unternehmen gefragt sind, zu sagen, wir unterstützen dabei, diesen Bildungsauftrag wahrzunehmen.

Mae: Du meinst also, große Unternehmen wie Deloitte zum Beispiel haben da ein bestimmtes Know-how, das sie auch anzapfen müssen, um diesen Wandel mitzugestalten?

[06:28 – 07:09] Nikolai: Sehe ich absolut so, genau, also wir haben ein Know-how, Technologieunternehmen haben ein Know-how, Versandhändler haben ein Know-how. Das alles zusammen, wenn man das zusammenbringen würde, könnte man die Auswirkungen der Digitalisierung auch leicht verständlich erklären. Ich glaube, das ist auch eine Herausforderung, zu sagen: Ich nehme die Menschen so mit, dass sie verstehen, was da eigentlich passiert. Und dieses Wissen, was da gerade passiert, in der Technologie, auch in der Auswirkung von Technologie auf menschliches Verhalten, würde ich behaupten, das sehen Unternehmen schneller und leichter, als das vielleicht der Gesetzgeber so schnell kann oder eben ein Lehrer an der Grundschule so schnell kann. Und deswegen ist die Verantwortung für uns Unternehmen, den Menschen, die es auch weitervermitteln müssen, das erstmal zu vermitteln.

Mae: Meinst du, dass Deloitte hier auch ganz konkret Einfluss nehmen kann auf die Entscheidungen von großen Unternehmen?

Nikolai: Ja, sehe ich absolut so. Also, direkten und vor allem indirekten Einfluss nehmen. Wir haben aufgrund unserer Tätigkeiten wahnsinnig viele Beziehungen zu ganz, ganz vielen Unternehmen, zur öffentlichen Hand, zu gesellschaftlichen Gruppen. Da Netzwerke zu knüpfen, Menschen zusammenzubringen, um über bestimmte Dinge zu reden, sehe ich als einen Bereich, wo wir Einfluss nehmen können. Wir selber haben auch einen Übersetzungsauftrag für Unternehmen. Wenn ich in einem Unternehmen tätig bin in einem bestimmten Bereich, sehe ich vielleicht auch nicht alles, was auf der Welt passiert, auch da haben wir als Unternehmensberatung durchaus die Möglichkeit, zu erklären, was passiert, Dinge verständlicher zu machen und Integrationen aufzuzeigen, Chancen aufzuzeigen, Risiken aufzuzeigen. Und insofern, wenn wir das gut machen, nehmen wir dann Einfluss, dass die Unternehmen die richtige Entscheidung treffen.

Mae: Das ist mir jetzt, mit Verlaub gesagt, ein bisschen kryptisch, ehrlich gesagt. Gibt es denn etwas ganz Konkretes, ganz Handfestes, was Deloitte da tut?

Nikolai: So ganz handfest auf der Tool-Seite haben wir gerade bei uns ein Tool entwickelt, das nennen wir Gnosis, das nutzt künstliche Intelligenz, also Algorithmen, um aus großen Datenmengen, die irgendwo in der Welt unterwegs sind, bestimmte Erkenntnisse zu ziehen. Konkret geht es darum, Daten, Informationsquellen aus Zeitungen, aus Patentanmeldungen, aus sonstigen Meldungen, darauf zu analysieren, ob bestimmte Trends bestimmte Entwicklungen nehmen. Wenn ich jetzt sage – künstliche Intelligenz einfach mal als den Trend selber genommen –, ich will wissen: Was ist in China eigentlich los, was passiert in Afrika, was passiert in den USA? Kann ich mir als Unternehmen das unmöglich alles anschauen, und Gnosis ist ein Tool, das automatisch die Informationen archiviert und sagt, pass mal auf, in dieser Sonderdisziplin der künstlichen Intelligenz hat sich in China gerade das und das ereignet und in Brasilien ist das und das passiert, deswegen glauben wir, dass der Trend sich hier weiterentwickeln wird und du als Unternehmen wirst davon betroffen sein, also handle jetzt und gehe damit um. So ein Tool stellen wir Unternehmen zur Verfügung und ermöglichen dann, bessere Entscheidungen zu treffen.

Mae: Also ich habe, ehrlich gesagt, von so einem Tool noch nie gehört. Das klingt, als könnte man damit echt schon gut in die Zukunft blicken, also zumindest Entwicklungen antizipieren und dann halt Prognosen treffen. Wie seid ihr denn auf so ein Tool gekommen, also wie seid ihr auf Gnosis gekommen?

Nikolai: Vielleicht, indem ich dir ganz kurz widerspreche, eben, weil wir nicht in die Zukunft gucken können, sind wir auf die Idee Gnosis gekommen. Also, kein Mensch kann in die Zukunft gucken. Man hat aber immer so die Tendenz, naja, kriege ich schon irgendwie hin. Ich versuche fünf Jahre, zehn Jahre vorauszusagen und so wird es wohl sein. Ein typisches Unternehmen versucht fünf Jahre, zehn Jahre in die Zukunft zu planen, aber es ist eigentlich illusorisch das zu können, wenn man sich mal zurückdreht und guckt, was ist vor zehn Jahren passiert oder diese magische Zeitgrenze als das iPhone gestartet wurde 2007. Das ist ein offensichtlicher Wendepunkt auch in der Digitalisierung gewesen. 2006 hätten wir uns nicht vorstellen können, wie die Welt 2016 aussieht. Und das Gleiche haben wir natürlich heute auch. Wir können die Zukunft nicht voraussagen, wir können uns aber natürlich überlegen, wenn bestimmte Dinge in der Welt passieren würden, was würden sie für mich bedeuten? Und die Idee mit Gnosis ist eben genau das zu tun und zu sagen, es gibt hunderte von Trends auf der Welt und wir können nicht genau sagen, wie sie sich entwickeln, wir können aber quasi gedanklich simulieren, wenn das und das passieren würde, wie würde es sich auf ein Unternehmen auswirken? Das sind Prozesse, die können nur Menschen miteinander diskutieren und diese Szenarien sich überlegen, wie kann die Zukunft aussehen? Aber dann zu schauen, ob die Trends sich tatsächlich in die bestimmte Richtung entwickeln oder in eine ganz andere Richtung entwickeln, das kann dann ein Tool.

Vielleicht mal ein ganz simples Beispiel. Eine ganz große Frage dabei ist: Was passiert mit Globalisierung? Noch vor wenigen Jahren, bevor in den USA Trump zum Präsidenten gewählt wurde, hätte jeder Mensch gesagt, naja, die Globalisierung wird unbedingt weitertreiben. Jetzt hat sich die Welt komplett gedreht und wir sehen eher Nationalismus, Protektionismus hochkommen. Diese Art Trends gibt es ganz, ganz viele, wo man sich das nicht vorstellen kann. Wenn man sich mal überlegt, es könnte sich eine extrem, total globalisierte Welt zu einer total protektionistischen Welt entwickeln, da habe ich ganz unterschiedliche Zukunften, und die muss ich mir anschauen und analysieren.

Mae: Gnosis ist also eher ein Szenarientool?

Nikolai: Genau, also die Szenarien werden, wie gesagt, von Menschen entwickelt, aber diese Szenarien zu überwachen in Anführungsstrichen, zu gucken, was passiert denn da überall auf der Welt, was ein Szenario sein könnte, was ich vielleicht in Deutschland gar nicht so direkt in der Zeitung lese – das tut Gnosis.

Mae: Jetzt ist ja Gnosis eins von vielen Innovationsprojekten bei Deloitte. Sitzen bei Deloitte tatsächlich nur Kreative?

Nikolai: Ne, gar nicht, wäre auch nicht gut , weil, also ich sag mal, bei Innovationen braucht es vielleicht zehn Prozent Kreativität, aber eigentlich neunzig Prozent Disziplin. Kreativität ist sehr gut, brauch ich, aber um Innovation zum Erfolg zu bringen, also von einer Idee zu einem wirklichen marktfähigen erfolgreichen Produkt zu kommen, brauche ich deutlich mehr als einfach nur kreative Ideen. Geht schon los bei der Idee selber: Der Kreative allein kommt nicht auf die Idee, er muss verstehen, was eigentlich derjenige, der das Produkt irgendwann mal kaufen will, was der vielleicht braucht, muss verstehen, wie sich die Welt entwickelt. Was wird gerade in der Welt gebraucht? Daraus leite ich vielleicht kreativ eine Idee ab. Und dann so eine Idee in etwas zu bringen, was ein Produkt ist, das Menschen kaufen, zahlen und was sich lohnt, auch dafür brauche ich viel Disziplin, um so einen Prozess dann durchzuschleusen.

Nikolai: Um das insgesamt zu bewerkstelligen brauchst du eine entsprechende Innovationskultur und da haben wir sehr, sehr stark dran gearbeitet und tun das weiterhin jeden Tag, dass wir diese Innovationskultur bei Deloitte haben. Und eben dieses Verständnis, ich bringe Kreativität zusammen mit Disziplin. Ich bringe ganz viele Perspektiven zusammen, dann entsteht da großartige Innovation. Und das geht bei uns so los, schon im Recruitingprozess, wenn wir mit jungen Talenten sprechen, reden wir darüber, was Deloitte für Innovationen macht. Und wir nutzen auch durchaus die Kreativität von Studierenden, um Innovation bei uns zu betreiben. Ein Beispiel: Eine unserer größten Innovationen der letzten Jahre ist das Deloitte-Neuroscience-Institut, wo wir die Erkenntnisse, die heute in Neurowissenschaften entstehen und die Technologie, die sich da entwickelt hat, nutzbar machen, um unseren Kunden bei Entscheidungsunterstützung zu helfen. Wenn wir heute Entscheidungen treffen, als Menschen tun wir vieles bewusst, aber noch viel, viel, viel mehr unbewusst. Deswegen treffen wir manchmal diese irrationalen Entscheidungen. Und über Neurowissenschaften kann ich das sichtbar machen, wie Emotionen eines Menschen sind, warum er bestimmte Entscheidungen trifft. Diese Idee kam von Studierenden, die gar nicht bei Deloitte gearbeitet haben zu dem Zeitpunkt, sondern eben aus einem Kreativprozess, den sie an einer Uni in München gemacht haben. Und diese Kultur, zu sagen, wir nehmen Ideen von Studierenden zu uns und paaren sie dann mit den Fähigkeiten, die wir selber haben, das war quasi der zweite Schritt. Deswegen erzählen wir auch den eigenen Kollegen vom ersten Arbeitstag, also von den sogenannten Welcome-Days in Düsseldorf, erzählen wir jeden Monat, wenn die Neuen dastehen, wir müssen innovieren. Und Innovation ist eben nicht nur für die Kreativen, sondern auch für jeden von euch. Und so entstehen dann auch noch anderen Innovationen und wir appellieren daran, Mensch, hast ‘ne Idee, du kannst auch was daraus machen. Du kannst vielleicht dein eigenes Unternehmen im Unternehmen gründen.

Anderes Beispiel: Eine Kollegin von uns macht Personalberatung und hat wie jeder Berater viele Powerpoint-Präsentationen gemacht und hatte ein Talent darin, gut zu gestalten. Da haben die Kollegen immer gesagt: „Kannst du mir nicht noch mal meine Präsentation schön machen?“ Und irgendwann hat die Dani gesagt: „Das ist doch eigentlich langweilig mit Powerpoint-Präsentationen, ich mach‘ dir mal ein Filmchen.“ Hat den ersten Film gemacht, hat das der erste gesehen, fand das super: „Ich hätte auch gern‘ einen Film.“ Dann entstanden immer mehr Filme und irgendwann kam Dani dann eben zu mir und sagte: „Ich glaube, da ist ein Geschäftsmodell für Deloitte, wenn wir Filme machen würden, wenn wir in die Filmbranche einsteigen würden zu Kommunikations- und Werbezwecken, wäre das nicht was? Weil wir verstehen doch die Welt unserer Kunden, wir sind kreativ, wir können Talente anlocken, lass uns das machen.“ Das ist auch so ein Beispiel von Innovation von Deloitte, wo wir eben einer Mitarbeiterin von uns die Chance gegeben haben, ihr Thema aufzubauen.

Mae: Ich hätte jetzt so viele verschiedene Leute bei Deloitte überhaupt nicht erwartet, als Außenstehende. Mal spitz gefragt: Ist Deloitte so ein safe haven für alle Leute, die in ihrem eigentlichen Beruf gescheitert sind oder die auf ihren eigenen Beruf keine Lust mehr hatten? Also gibt Deloitte gerne zweite Chancen?

Nikolai: Also solange das jetzt nicht eine negative Konnotation bekommt, würde ich das auf jeden Fall unterschreiben. Wir geben auch gerne zweite Chancen. Nicht jeder ist auf dem zweiten Bildungsweg bei uns, sondern viele kommen natürlich auch auf dem klassischen Weg, haben studiert und haben einen Abschluss gemacht in unterschiedlichen Disziplinen und landen dann bei uns. Aber wir haben auch die sogenannten Exoten bei uns, die entweder etwas ganz anderes studiert haben, als was man vielleicht so erwartet. Wir haben gerade von Dani und ihren Designstudios gehört. Wir haben jetzt Motion-Designer bei uns, Sound-Designer bei uns, würde man wahrscheinlich bei einer Prüfungs- und Beratungswirtschaft so nicht erwarten. Die kommen teilweise tatsächlich direkt von der Uni, von der Ausbildungsstätte zu uns, teilweise tatsächlich aber eben aus ihren anderen Berufen, wo sie sagen: „Hm, ich kann meine Talente in dem Beruf, in dem ich heute bin, eigentlich so gar nicht nutzen und Deloitte bietet solche Themen an. Wow, wenn ich jetzt das, was ich kann, kombiniere mit dem, was da andere bei Deloitte können, dann entsteht da was Großartiges“. Und deswegen ist das tatsächlich ein safe haven, das glaube ich schon, safe haven dahingehend, dass wir ein großes Unternehmen sind, was Stabilität geben kann, die nötige Struktur auch manchmal geben kann, wir haben ja gerade von Innovationsdisziplin gesprochen und aber auch trotzdem wahnsinnige Freiheiten geben kann, sich da so zu entfalten, und da entstehen tolle Sachen dann.

Nikolai: Als ich damals angefangen habe, ich bin Wirtschaftsingenieur, war ich einer der Exoten bei Deloitte. Also es gab halt die Betriebswirte, vielleicht ein paar Volkswirte, ein Informatiker war schon echt wahnsinnig weit weg und das war exotisch. Heutzutage sind diese Exoten, Wirtschaftsingenieure, Wirtschaftsinformatiker, Informatiker überhaupt, keine Exoten mehr. Dafür sind andere Leute dann die Exoten bei uns, wo wahrscheinlich in fünf oder zehn Jahren völlig normal wird, dass wir die haben. Beispiel Neurowissenschaftler, die wir jetzt eingestellt haben. Hätte man vor fünf Jahren sich nicht vorstellen können, dass wir Neurowissenschaftler haben. Jetzt haben wir ein paar, die sind sehr exotisch, wir müssen sehr aufpassen auf sie, dass sie sich bei uns wohlfühlen, dass sie auch nicht kaputt gehen in den Regeln und Prozessen einer Firma. Aber die Firma ist dann auch der safe haven, der ermöglicht, dass so etwas dann zur Normalität wird. Wer weiß, was in fünf bis zehn Jahren unsere Exoten sein werden.

Mae: Zum Schluss würde ich gern noch von dir als Innovationsexperte wissen, was du für die bekloppteste Idee der letzten Jahre hältst.

Nikolai: Die bekloppteste Innovation der letzten Jahre sieht man jetzt gerade die Städte überschwemmen. Das sind diese E-Roller. Warum ist das bekloppt? Das sind Dinger, auf denen ich relativ unbequem mich nur relativ kurze Strecken bewegen kann. Das geht normal ein Mensch eigentlich zu Fuß oder fährt Fahrrad. Außerdem haben die Leute vergessen, dass sie sich einen Helm aufsetzen sollen. Die werden, glaube ich, in kürzester Zeit ganz viele Leute sehen, die sich richtig auf die Fresse packen und entsprechend ist dann der Spaß weg. Der Spaß ist auch dann weg, wenn es mal richtig anfängt zu regnen und im Winter zu schneien. Ich habe noch nicht verstanden, wie das Geschäftsmodell funktionieren soll, denn pro Minute oder pro Kilometer müssen die Kosten extrem hoch werden, wenn im Winter keiner mehr fährt und abends immer irgendwelche Leute die Dinger einsammeln müssen, um sie wieder aufzuladen. Das wird sich nicht lang durchsetzen.

Mae: Ich danke dir fürs Gespräch.

Nikolai: Sehr gerne.

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