Rede von Pfarrer Fitterer-Pfeiffer am 9. November bei der Mahnwache gegen Rechts in Karlsruhe (Serie 370: AKR Antikriegsradio im Querfunk)
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(Mein Name ist Albrecht Fitterer-Pfeiffer, ich bin Pfarrer in Neureut-Kirchfeld, meine Kirchengemeinde ist Mitglied im Netzwerk gegen Rechts. Außerdem vertrete ich heute die Christlich- Islamische Gesellschaft Karlsruhe als Christlicher Vorsitzender.) Kam in der Ankündigung Liebe Freundinnen und Freunde, Eine Partei, die zu bedeutungslos ist, um verboten zu werden, kämpft um Bedeutung. Und deshalb wählt sie einen geschichtsträchtigen Tag, um heute hier in Karlsruhe Politik zu machen. Weil sie selber keine Bedeutung haben, brauchen sie einen bedeutenden Tag. Das Schlimme ist: Die NPD ist bedeutungslos geworden. Aber ihre Inhalte sind salonfähig geworden. Bis weit in das bürgerliche Lage hinein gibt es Menschen, die Migration für ein wichtiges Problem in unsrer Gesellschaft halten. Diese Stimmung verkennt völlig, dass kulturelle Höchstleistungen meist dort auftreten, wo sich unterschiedliche Kulturen in einem fruchtbaren Dialog begegnen. Und die Reaktionen auf das vermeintliche Problem Migration lassen befürchten, dass ein Pogrom wie 1938 kein einmaliger Fehltritt der deutschen Geschichte war, sondern irgendwann wieder möglich werden könnte. Schon heute müssen wir erleben, dass eine der edelsten Errungenschaften von Demokratie, nämlich der Schutz von Minderheiten, immer wieder infrage gestellt wird. Der 9. November ist Gedenktag des Pogroms an Jüdinnen und Juden 1938. Die Verbrechten des Nationalsozialismus an Jüdinnen und Juden sind ein bis heute einzigartiger Schandfleck auf Deutscher Geschichte. Zugleich erinnert uns dieser Gedenktag jedes Jahr an die Verpflichtung, Jüdinnen und Juden zu schützen, nicht nur vor gewaltsamen Übergriffen wie 1938, sondern auch vor Beschimpfung, Verächtlichmachung und Diskriminierung. Diese Art, über Jüdinnen und Juden zu reden, hat die Novemberprogrome 1938 ja erst möglich gemacht. Wir haben aus der Vergangenheit aber nichts, rein gar nichts gelernt, wenn wir heute zulassen, dass andere heute kollektiv verdächtigt oder zu Sündenböcken gemacht werden. • Wenn Seenotretterinnen als „Schleußer“ beschuldigt werden, • wenn Menschen, die vor Krieg und deutschen Waffen geflüchtet sind, als „irreguläre Migrantinnen“ verdächtigt werden, • wenn Menschen, die in ihrer Heimat aufgrund des (maßgeblich von unserer Politik mitverschuldeten) Klimawandels keine Perspektive sehen und bei uns Zuflucht suchen, wenn die dann als „Wirtschaftsflüchtlinge“ denunziert werden. • wenn Muslimas und Muslime kollektiv des Antisemitismus verdächtigt werden, (vielleicht ja vor allem, um von unserem eigenen Antisemitismus und Rassismus abzulenken) • wenn ein Kanzlerkandidat von „kleinen Paschas“ redet oder von der „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“ dann ist das genau die Politik, die den Weg bereitet für Hass und Diskriminierung von Minderheiten. Ich bin evangelischer Pfarrer und sehe mich als solcher in der christlich-jüdischen Tradition. Worte der Bibel sind mir wichtig. Ein ganz zentrales Bibelwort gibt uns den Auftrag: Du sollst den Fremdling nicht bedrängen noch bedrücken. An der gastlichen Aufnahme Fremder entscheidet sich, ob wir in dieser christlich- jüdischen Tradition stehen. Der 9. November ist ein zentraler Tag deutscher Erinnerungskultur. Seit 1938 haben noch viele andere Menschen in unserem Land Heimat gefunden. Der 9. November erinnert uns in aller Deutlichkeit daran, nicht wieder den Fehler zu machen, den die Deutschen Anfang des letzten Jahrhunderts gemacht haben: Minderheiten auszuschließen, auszugrenzen, zu diskriminieren und zu diffamieren. Nur wenn wir diesen fatalen Fehler nie wieder machen, nur dann haben wir unsere Lektion aus dem 9. November gelernt, nur dann erfüllt er der 9. November seine Aufgabe als Gedenktag. Der Aufmarsch, den die ansonsten bedeutungslose NPD hier heute wegen dieses Tages geplant hat, verpflichtet uns noch deutlicher, noch dringlicher dafür einzutreten: Nie wieder dürfen verletzliche Minderheiten ausgegrenzt und diskriminiert werden. Uns heute daran zu erinnern, uns heute hier gemeinsam auf die Straße zu bringen, das mag der letzte Rest an Bedeutung sein, den wir dieser Splittergruppe zugestehen können. Die Erzählungen meines Religionslehrers von der Pogromnacht 1938, die er als Achtjähriger erlebt hat, gehören für mich zu den frühesten und eindrücklichsten Erinnerungen, dass ich etwas über das Unrecht des Nationalsozialismus gelernt habe. Sichtbar und in aller Öffentlichkeit wendete sich der Mob gegen Jüdinnen und Juden. Ohne jede Scheu und Scham zeigte der Nationalsozialismus seine Fratze. Damit so etwas nie wieder passiert, lasst uns heute für unsere jüdischen, türkischen, syrischen, ukrainischen, palästinensischen, marokkanischen oder nigerianischen und russischen Nachbarinnen und Nachbarn eintreten – oder wo auch immer sie herkommen. Begegnung macht uns reicher. Lasst uns das nie vergessen, gerade am 9. November. Dass wir hier heute gemeinsam stehen – über viele weltanschauliche Grenzen hinweg, dass wir hier heute Vielfalt praktizieren, das ermutigt mich, darauf zu hoffen, dass es nicht wieder so weit kommen kann. Quelle: https://ka-gegen-rechts.de/wp-content/uploads/2024/11/Reichpogromnacht2024AFP.pdf
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